Wann muss nun eigentlich…
ein Haftpflichtversicherer einen Unfallschaden reguliert haben?
Gut, wenn es nach dem Geschädigten geht, dann sollte es so schnell wie möglich passieren. Unsere Erfahrung zeigt, dass Zeiträume, in denen der Versicherer dann tatsächlich die Reparaturkostenübernahme erklärt bzw. den Schaden durch Zahlung ausgleicht, sehr unterschiedlich sind. Diese reichen von wenigen Tagen über (an sich häufig übliche) 14 / 16 Tage bis hin zu mehreren Monaten.
Regulierungsfrist (“Prüffrist”)
Die Frage nach der sog. Regulierungsfrist (oder auch “Prüffrist” genannt) ist von wesentlicher Bedeutung, wenn es darum geht, wann denn der Versicherer erstmalig in Verzug gerät und verklagt werden kann. Auch nach einem Unfallschaden wird die Schadenersatzforderung an sich sofort mit dem Schadenseintritt fällig. Allerdings bedarf es wegen der Besonderheiten des Unfallschadens einer gewissen “Korrektur” der allgemeinen Verzugsregeln. Der sog. Schuldnerverzug tritt erst dann ein, wenn eine angemessene Regulierungsfrist vergangen ist. Und der Eintritt des Schuldnerverzuges wiederum kann den Ersatz des sog. Verzugssschadens ermöglichen, weshalb auch die Klage nicht vor Ablauf dieser Prüffrist erhoben werden sollte. Wie gesagt, bei der “Prüffrist” geht es um die Frage, wann überhaupt sinnvollerweise Klage erhoben werden kann.
Weitestgehend ist sich die Rechtsprechung einig
An sich ist sich die Rechtsprechung mittlerweile einig, dass die Länge der Prüffrist immer vom Einzelfall abhängig ist. Von daher kann die Prüffrist nicht für alle Fälle einheitlich bestimmt werden. Aber die gute Nachricht ist, dass die Gerichte – für die “üblichen”, auch zähen, Vorgänge – eine Prüffrist von über 6 Wochen an sich generell ablehnen.
OLG Rostock / OLG München / OLG Hamm
Auch das hiesige OLG Rostock (Entscheidung vom 09.01.2001 / 1 W 338/98) hat sich in der Vergangenheit hierzu geäußert und hält eine Frist von 4 bis 6 Wochen für akzeptabel. Allerdings wurde das OLG Rostock vom OLG München in einer Entscheidung vom 29.07.2010 / 10 W 1789/10 dafür kritisiert, dass es dem Versicherer zugestand, dass “wegen des größeren Büroapparates … gewisse Mindestverzögerungen” zugunsten des Versicherers zu berücksichtigen seien. In erfrischender Weise stellt sich das OLG München dem entgegen und befand, dass dies nun einmal Sache des Versicherers sei und “ein in der Sphäre des Schuldners angesiedeltes Problem”. Und so kommt das OLG München zu einer Prüffrist von nur maximal 4 Wochen.
Aktuell hat das OLG Hamm (Entscheidung vom 12.06.2015 / I-11 W 47/15) diese Frage noch einmal aufzurufen gehabt, wollte aber die Auffassung des OLG München (welches seine Meinung dann auch gleich als “herrschende Meinung” bezeichnet hatte) nicht so wirklich bestätigen. Das OLG Hamm musste nun letztlich auch “nur” über die Sache der Vorinstanz entschieden und befand, das eine Prüffrist von mehr als 7 Wochen (das LG Dortmund hatte dem Versicherer über die üblichen 4 bis 6 Wochen noch 2 weitere Wochen zugebilligt) zu lang sei.
4 bis 6 Wochen sind der Regelfall
Also darf man nun ruhigen Gewissens sagen, dass im Regelfall (mit den üblichen Abläufen und dem ganzen “Hin und Her”) eine Prüffrist von 4 bis 6 Wochen gilt. Mit 6 Wochen kann man sicherlich nun nichts falsch machen und der Weg wäre dann frei für die “gefahrlose” Klageerhebung. Wenn wir hier vom “Regelfall” reden, dann sollte aber auch klar sein, dass der Geschädigte natürlich all das, was notwendig ist, auf den Weg gebracht haben sollte (einschließlich aller erforderlicher Informationen und Nachweise). Im besten Fall wird der Anwalt des Vertrauens das “Gesamtpaket” erbringen.
OLG München und die “Praktiken” der Versicherer
Ach ja, schön zu lesen ist die Entscheidung des OLG München aber auch deshalb, weil die Richter so einige (nennen wir es einmal) “Praktiken” der Versicherer als unerheblich abgetan haben. Insbesondere die “ggfls. vom Versicherer für erforderlich gehaltene Einsicht in die Ermittlungsakte”, haben die Münchener Richter vom Tisch gewischt, da sie “grundsätzlich keinen Einfluss auf die Dauer der Prüffrist (und des Verzuges)” habe.
Immer eine Sache des Einzelfalles
Es ist und bliebt mithin immer eine Sache des Einzelfalles, aber in der Masse der (auch komplizierteren) Fälle sind 4 bis 6 Wochen für den Versicherer ausreichend. Soweit uns bekannt, hat zuletzt in unserem Bundesland das LG Stralsund dieses noch einmal bekräftigt (in diesem Fall 4 Wochen).
Und bei ausländischer Beteiligung?
Für Unfälle mit ausländischer Beteiligung hat das Landgericht Saarbrücken in einem Beschluss vom 20.06.2016 (13 T 3/16) festgehalten:
Bei einem Verkehrsunfall mit einem ausländischen Teilnehmer ist dem ausländischen Kfz-Haftpflichtversicherer eine Prüfungsfrist von mindestens acht Wochen einzuräumen, wenn der Versicherer zuvor noch durch das Büro Grüne Karte e.V. ermittelt werden musste.
Alles in allem bleibt aber natürlich (unser) Ziel, die Haftung zügigst zu klären und bestenfalls auch deutlich vor Ablauf von 4 bis 6 Wochen, also bestenfalls innerhalb weniger Tage. Daher können wir aber auch und gerade in Kenntnis der üblichen Abläufe immer nur den Rat geben, seinen Anwalt des Vertrauens gleich nach dem Unfall zu beauftragen.
Unfallschaden sollte Anwaltssache sein
Denn sollte es gelingen, schnellstmöglich “Zugriff” auf die Ermittlungsakte zu bekommen, werden die meisten Einwände der Versicherer regelmäßig “verpuffen”. Eine schnelle Beauftragung seines Anwalts ist gerade auch deshalb einiges wert, da es – zumindest in MV – das beschleunigte Akteneinsichtsrecht gibt und innerhalb weniger Tage das polizeiliche Unfallaufnahmeprotokoll vorliegen kann. Nur ist der “Zugang” zu diesem allein in den ersten Tagen nach dem Unfall verlässlich, da mit Abgabe des Vorgangs z.B. an die Bußgeldstelle der “Zugriff” deutlich schwieriger wird. Auch kann allein ein Anwalt diese Akte überhaupt abfordern.