OLG Rostock, Urteil vom 25.10.2019, 5 U 55/17
Minderung des Anspruchs wegen nicht angelegtem Sicherheitsgurt des Beifahrers (hier Mitfahrer auf der Rückbank)
Die Mitverursachung durch nicht angelegten Sicherheitsgurt liegt im vorliegenden Fall bei nur einem Drittel. Der Anteil des Unfallverursachers, der die zulässige Geschwindigkeit um mehr als 25 Prozent überschritten und eine Kurve geschnitten habe, überwiege deutlich.
Abweichend vom Landgericht hat der Senat entschieden, dass die Mitverursachung nicht danach zu bemessen ist, welche unfallbedingten Verletzungen der Klägerin aus dem nicht angelegten Sicherheitsgurt resultieren. Vielmehr hat eine Gesamtbetrachtung der Schadensentstehung und eine Abwägung aller Umstände zu erfolgen. Um eine so zu bildende Mithaftungsquote sind dann die Ansprüche zu kürzen.
LG Hof, Urteil vom 30.05.2011, 32 O 237/10 (BeckRS 2011, 34780)
Haftungsverteilung bei Kollision von Pkw mit dunkel gekleidetem Fußgänger bei Nacht / Linksgehgebot
Kommt es bei schlechten Sichtverhältnissen (Dunkelheit, Nässe, Schneefall, dunkelgekleideter Fußgänger) zu einer Kollision zwischen einem Pkw und einem außerorts entgegen § 25 Abs. 1 StVO den in Gehrichtung rechten Fahrbahnrand benutzenden Fußgänger, ohne dass dem Pkw-Führer ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann, so kommt eine hälftige Haftungsverteilung in Betracht.
Ein grobes Eigenverschulden eines Fußgängers kann darin liegen, dass er bei Dunkelheit außerorts entgegen § 25 Abs. 1 StVO den in Gehrichtung rechten Fahrbahnrand benutzt.
Und hier mal der “Katalog”, den das Gericht ausgeurteilt hat:
Allein dass der Geschädigte den Straßenrand zum Gehen nutzte, kann ihm nicht vorgeworfen werden, da die Straße über keinen Gehweg verfügte.
Auch das Tragen dunkler Kleidung beinhaltet für sich betrachtet kein haftungsrechtlich relevanes Fehlverhalten.
Allerdings trifft … ein grobes Eigenverschulden am Unfall deshalb, weil er nicht, wie vorgeschrieben, die linke, sondern die rechte Fahrbahnhälte zum Gehen nutzte. Der Geschädigte hatte auf der Fahrbahnhälfte des Erstbeklagten nichts zu suchen. Er hätte außerorts den in Gehrichtung linken Fahrbahnrand benutzen müssen, § 25 Abs. 1 StVO. Dafür, dass ein Gehen am rechten Fahrbahnrand nicht zumutbar war, ist nichts vorgetragen.
Auf der anderen Seite ist die Betriebsgefahr des Beklagten-Pkw zu berücksichtigen, die bei einem Unfall mit einem Fußgänger deutlich schwerer wiegt als bei einem Unfall mit einem anderen Kraftfahrzeug.
Insgesamt geht das Gericht von einer Haftungsverteilung 50 % zu 50 % aus.
KG Berlin, Urteil vom 30.08.2004, 12 U 283/03
Unverhältnismäßige Mietkosten für Anmietung eines Ersatztaxis / Eigenersparnisabzug (hier 25 %)
Kosten für das Mieten eines Ersatztaxi, die um 410 % höher sind als der ohne Miettaxis zu erwartende Gewinnentgang, sind nicht zu ersetzen, wenn der Ersatz nach einer die schützenswerten Interessen des Geschädigten berücksichtigenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls als unverhältnismäßig im Sinne von § 251 Abs. 2 BGB erscheint.
Für die Vergleichsrechnung sind die Netto-Mietwagenkosten um 25 % für ersparte Eigenaufwendungen zu kürzen und dann dem Gewinn gegenüber zu stellen, die der Taxiunternehmer durch den Einsatz des Miettaxi erwirtschaftet hat; bei Ermittlung dieses Gewinns ist der Netto-Umsatz um ersparte Betriebskosten und ersparten Fahrerlohn (regelmäßig 50 % des Brutto-Umsatzes zu kürzen).
→ aber →
LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 22.07.2015, 8 S 7887/14
Die Höhe der von den Kosten eines Mietwagens abzusetzenden Eigenersparnis ist bei einem Miettaxi – wie bei einem nicht gewerblich genutzten Fahrzeug – mit 3 % zu bemessen.
KG Berlin, Urteil vom 20.01.2020, 25 U 156/18
(fehlende) Vorfinanzierungsmöglichkeit und “Warnhinweis”
Zwar kommt eine Nutzungsausfallentschädigung über einen solch langen Zeitraum, wie ihn der Kläger vorliegend geltend macht, grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer in geeigneter Weise und frühzeitig darauf hingewiesen hat, dass ihm die Mittel zur Bezahlung der Anschaffungskosten fehlen (vgl. KG NZV 2010, 209; OLG Karlsruhe, Urteil vom 08. August 2011 — 1 U 54/11 —, juris). Erst dieser Hinweis gibt dem Schädiger die Möglichkeit, durch frühzeitige Zahlung eines Vorschusses weiteren Schaden abzuwenden. Dabei muss der Geschädigte allerdings von sich aus zunächst keine weiteren Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen machen (vgl. OLG Düsseldorf Schaden-Praxis 2008, 298; KG, Beschluss vom 24. Oktober 2019, 22 U 76/18, unveröffentlicht). Angaben dazu können nur im Prozess im Rahmen einer sekundären Darlegungslast verlangt werden (vgl. BGH NJW-RR 2006, 394).
Das in der Berufungsinstanz eingereichte Schreiben … beinhaltet zwar keinen expliziten Hinweis darauf, dass dem Kläger aus finanziellen Gründen eine Ersatzbeschaffung für sein verunfalltes Fahrzeug nicht möglich ist. Dies ergibt sich jedoch indirekt daraus, dass er darauf hinweist, dass er keine Reparaturkosten vorlegen könne, weil er nur über Barmittel zur Deckung des Lebensunterhaltes verfüge.
Letzterem muss entnommen werden, dass er das ihm zur Verfügung stehende Geld für seinen normalen Unterhaltsbedarfs benötigt, woraus wiederum folgt, dass er nicht nur die Kosten einer Reparatur seines Fahrzeuges, sondern auch die einer Ersatzbeschaffung, die er auf der ersten Seite dieses Schreibens auf immerhin 9.326,69 EUR beziffert, nicht mehr zusätzlich tragen kann. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers hier offensichtlich übersehen, dass er keinen Reparaturschaden, sondern den Wiederbeschaffungsaufwand für das Unfallfahrzeug des Klägers geltend macht, das ändert aber nichts daran, dass dem Schreiben vom 15. September 2017 eine deutliche Warnung an die Haftpflichtversicherung des Beklagten vor einem hohen Nutzungsausfallschaden zu entnehmen ist, sollte der in dem Schreiben bezifferte Sachschaden des Klägers nicht beglichen werden. Auf diese Warnung kommt es letztlich im Rahmen der dem Geschädigten nach § 254 Abs.2 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht an. Es ist dann Aufgabe des Schädigers, zu entscheiden, ob er den drohenden hohen Nutzungsausfallschaden durch schnelle Regulierung des Sachschadens oder durch Zahlung eines Vorschusses abwendet.
Ob im Rahmen der nach § 254 Abs.2 BGB bestehenden Schadensminderungspflicht auch eine ausdrückliche Vorschussanforderung (vgl. OLG Düsseldorf DAR 2012, 253) und/oder auch die Mitteilung zu erfolgen hat, dass die für eine Ersatzbeschaffung notwendigen Mittel auch nicht durch einen Kredit verschaffen können (vgl. KG Berlin, Urteil vom 16. Dezember 1996 — 12 U 268/96 —, juris; KG NVZ 2009,394; OLG Naumburg DAR 2005, 158; OLG Nürnberg DAR 1981, 14; OLG Celle VersR 1980,633; OLG Karlsruhe VersR 2012, 590), kann hier im Ergebnis dahin stehen, denn der insoweit beweisbelastete Beklagte hat nicht dargetan und unter Beweis gestellt, dass ein Unterlassen entsprechender nach § 254 Abs.2 BGB gebotener Hinweise für den geltend gemachten Nutzungsausfallschaden kausal geworden ist. Das ist nicht der Fall, wenn die gebotene Warnung vor weiter drohenden Schäden von vorneherein aussichtslos gewesen wäre, der Schädiger die Warnung also nicht beachtet hätte (vgl. BGH NJW 1989,290, OLG Köln WM 2007,2209).
Zwar gilt zugunsten des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (vgl. BGH NJW 2007,1063; BGH NJW 2014,217) die Beweiserleichterung des § 287 ZPO (vgl. BGH NJW 2007,1063; KG NZV 2010,209). Vorliegend fehlt es aber bereits an einem schlüssigen Vortrag des Beklagten, dass er bzw. seine Haftpflichtversicherung den Sachschaden des Klägers bei explizitem Hinweis auf die fehlenden Mittel für eine Ersatzbeschaffung, die nichtbestehende Möglichkeit einer Kreditaufnahme und einer ausdrücklichen Vorschussanforderung schneller reguliert bzw. einen Vorschuss zum Zwecke der Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges geleistet hätten.
OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 12.12.2019, 22 U 190/18
Darlegung der fachgerechten Beseitigung von Vorschäden durch den Geschädigten
Hat ein Fahrzeug einen Vorschaden im aktuellen Schadensbereich erlitten, muss der Geschädigte darlegen und beweisen, dass der Schaden fachgerecht repariert worden ist.
Angesichts der Rechtsprechung des BGH zum Beweisantritt muss es allerdings ausreichen, wenn der Geschädigte ein detailliertes Schadensgutachten vorlegt und behauptet, dass die Reparatur entsprechend den dortigen Vorgaben erfolgt ist, damit das Gericht eine Beweisaufnahme durchzuführen hat.
Kann der Geschädigte Ersatzteilrechnungen nicht vorlegen, ist ihm der entsprechende Beweis durch Zeugenvernehmung nicht abgeschnitten.
OLG Koblenz, Beschluss vom 26.11.2019 – 12 U 1022/19
Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten für das Fehlen von Vorschäden
Erleidet ein Fahrzeug mehrere Unfälle, muss der Geschädigte bei Vorschäden im erneut beschädigten Bereich und bei bestrittener unfallbedingter Kausalität des geltend gemachten Schadens im einzelnen ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs noch vorhanden waren.
Auch wenn der Geschädigte bei Ankauf des (gebrauchten) Fahrzeugs nicht über den Vorunfall in Kenntnis gesetzt worden ist, muss er im einzelnen zu der Art der Vorschäden und der Art der behaupteten Reparatur vortragen, also eine sogenannte Reparaturhistorie aufzeigen.
OLG Celle, Urteil vom 04.03.2020, 14 U 182/19
Landwirtschaftliches Gespanns mit Überbreite “trifft” auf “zu schnellen” Pkw (bei Dunkelheit und leichter Rechtskurve)
Bei Dunkelheit auf einer nur 4,95 m breiten Straße ohne Fahrbahnmarkierungen und nicht befestigtem Seitenstreifen sowie erkennbaren Gegenverkehr (landwirtschaftliches Gespann mit Überbreite) in einer leichten Rechtskurve ist gemäß § 3 Abs. 1 S. 5 StVO auf halbe Sicht zu fahren.
Wer ein landwirtschaftliches Gespann mit Überbreite auf einer schmalen Straße, die er befahren darf, so weit nach rechts steuert, wie es tatsächlich möglich ist, verstößt nicht gegen § 1 Abs. 2 StVO.
Kommt es im Begegnungsverkehr auf einer nur 4,95 m breiten Straße ohne Fahrbahnmarkierungen bei Dunkelheit zu einer Kollision zwischen einem landwirtschaftlichen Gespann mit Überbreite, das so weit nach rechts gesteuert wird, wie es tatsächlich möglich ist, mit einem Pkw, der die Fahrbahnmitte grundlos leicht überschreitet, so tritt die Haftung aus Betriebsgefahr für das landwirtschaftliche Gespann nicht zurück, sondern fließt mit 30 % in die Haftungsquote gemäß § 17 Abs. 1 StVG ein.
Haftungsquote: 70 % (PKW) vs. 30 % (Gespann wegen erhöhter Betriebsgefahr)
LG Düsseldorf, Urteil vom 23.08.2019 – 20 S 185/18
Unfallersatz – Mietwagen – CDW / Haftungsfreistellung
Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Vollkaskoschutz ohne Selbstbeteiligung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das Fahrzeug des Geschädigten in gleicher Weise versichert war, wenn der Geschädigte während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt ist. Dies ist nicht nur anzunehmen, wenn das beschädigte Fahrzeug schon älter war und als Ersatzfahrzeug ein wesentlich höherwertiges Fahrzeug angemietet wird, sondern generell, es sei denn, es lägen – hier nicht ersichtliche – außergewöhnliche Umstände vor. Das Risiko der erneuten Verwicklung in einen insbesondere allein oder jedenfalls mitverschuldeten Schadensfall mit dem angemieteten Ersatzwagen ist grundsätzlich als erheblich und ebenfalls unfallbedingt anzusehen (OLG Köln, Urteil vom 10. November 2016 – I-15 U 59/16 –, Rn. 22, juris).
Genauso urteilten:
BGH, Urteil vom 25.10.2005, VI ZR 9/05
Demgegenüber weist die Revision mit Recht darauf hin, dass Kosten einer für ein Ersatzfahrzeug abgeschlossenen Vollkaskoversicherung auch dann ersatzfähig sein können, wenn das eigene Fahrzeug des Geschädigten zum Unfallzeitpunkt nicht vollkaskoversichert war. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann der durch einen fremdverschuldeten Unfall Geschädigte bei Inanspruchnahme eines Mietwagens die Aufwendungen für eine der Vollkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung entsprechende Haftungsfreistellung grundsätzlich insoweit ersetzt verlangen, als er während der Mietzeit einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt war (vgl. Senatsurteile BGHZ 61, 325, 331 ff.; vom 19. März 1974 – VI ZR 216/72 – VersR 1974, 657 und vom 15. Februar 2005 – VI ZR 74/04 – aaO).
auch OLG Köln, Urteil vom 10.11.2016, 15 U 59/16 = OLG Köln 15 U 59/16 CDW Unfallersatz
LG Osnabrück, Urteil vom 28.02.2019, 4 S 172/18 (SVR 2020, 141)
(Keine) Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht bei einem durch einen 8jährigen Radfahrer verursachenden Verkehrsunfall
Es entspricht gesicherter Rechtsprechung,
dass jedenfalls ein achtjähriges Kind,
das ein Fahrrad hinreichend sicher zu fahren vermag (also nach seinen Fähigkeiten grds. in der Lage hierzu ist),
über Verkehrsregeln eindringlich unterrichtet worden ist
und sich über eine gewisse Zeit im Verkehr bewährt hat,
auch ohne eine Überwachung durch die aufsichtspflichtigen Eltern mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen kann,
beispielsweise um zur Schule zu fahren
oder einen sonst bekannten bzw. geläufigen Weg zurückzulegen.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2019, I-1 U 162/18
Opfergrenze / Abrechenbarkeit von Reparaturkosten, wenn das reparierte Fahrzeugs vor Ablauf der 6-Monatsfrist gepfändet und versteigert wird
Die weitere Nutzung des Fahrzeugs über mindestens 6 Monate ist allerdings nur ein Indiz für das notwendige Integritätsinteresse. Es sind, wie der BGH ausgeführt hat (18.11.2008 – VI ZRB 22/08, juris,Rn. 16), zahlreiche Fallgestaltungen denkbar, bei denen die Nutzung des Fahrzeugs aus besonderen Gründen bereits lange vor Ablauf der Sechsmonatsfrist eingestellt wird, etwa infolge eines weiteren Unfalls oder deshalb, weil eine Fahrzeugnutzung aus finanziellen Gründen (z.B. Arbeitslosigkeit) nicht mehr möglich ist. Solche Ereignisse müssen den Anspruch nicht vereiteln. , Beschluss vom
Denn entscheidend ist, ob ein Integritätsinteresse bei Erteilung Reparaturauftrages bestand, ob also der Geschädigte zu diesem Zeitpunkt den Willen besaß, sein Fahrzeug weiterhin zu nutzen. Dies kann sich auch aus anderen Umständen ergeben.
BGH, Urteil vom 30.11.2004, VI ZR 335/03
(Kein) Haftungsprivileg eines 9jährigen Kindes nach § 828 Abs. 2 BGB im ruhenden Verkehr
Das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB
” Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. “
greift nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur ein, wenn sich bei der gegebenen Fallkonstellation eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Kinder in der Altersgruppe des Beklagten (hier 9 Jahre) wissen, daß sie sich so zu verhalten haben, daß ihr Kickboard nicht gegen einen parkenden PKW prallt und diesen beschädigt. Es ist ihnen auch möglich und zumutbar, dieses Spielgerät so zu benutzen, daß eine solche Schädigung vermieden wird.
→ Und dann hier der kleine, feine Unterschied →
BGH, Beschluss vom 11.03.2008, VI ZR 75/07
Unfall bei geöffneter Autotür – das Haftungsprivileg für Kinder zwischen dem 7. und 10. Lebensjahr greift (und das Kind haftet – hier – nicht)
Fährt ein Kind mit einem Fahrrad gegen ein mit geöffneten hinteren Türen am Fahrbahnrand stehendes Fahrzeug, entfällt seine Haftung nach § 828 Abs. 2 BGB.
Im Unterschied zu den Fallgestaltungen, bei denen der erkennende Senat das Eingreifen des Haftungsprivilegs verneint hat, kann man unter den hier gegebenen Umständen schon nicht davon ausgehen, dass der Kläger sein Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt ordnungsgemäß geparkt hatte. Dem steht entgegen, dass die hinteren Türen auf der Fahrer- und der Beifahrerseite zum Zeitpunkt der Kollision offen standen und sich unstreitig sowohl der Kläger als auch der Zeuge E. an den geöffneten Türen befunden und sich bewegt haben. Dies schuf eine besondere Gefahrenlage für das als Verkehrsteilnehmer auf der Straße fahrende Kind, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Da es zudem erst 20 m vor diesem Fahrzeug aus einer anderen Straße eingebogen war, liegt insgesamt eine typische Fallkonstellation der Überforderung eines Kindes durch die Schnelligkeit, die Komplexität und die Unübersichtlichkeit der Abläufe im motorisierten Straßenverkehr vor.
OLG Brandenburg, Urteil vom 27.02.2020, 12 U 86/18
Schadenminderungspflicht / Ausfallschaden (Nutzungsausfall und Mietwagen) / Vorfinanzierung / Vollkasko / Kreditaufnahme / Vermögensverhältnisse
… ein Verstoß gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit nicht deshalb vorzuwerfen ist, weil sie nicht sofort ihren Kaskoversicherer in Anspruch genommen hat. Dabei neigt der Senat der Auffassung zu, dass vom Geschädigten bereits grundsätzlich nicht verlangt werden kann, seinen Vollkaskoversicherer in Anspruch zu nehmen, denn Sinn und Zweck der Kaskoversicherung ist gerade nicht die Entlastung des Schädigers.
Auch eine Kreditaufnahme kann von einem Geschädigten nur dann verlangt werden, wenn er sich die hierzu erforderlichen Mittel leicht beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht über seine wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus belastet wird (Anmerkung von RA: Was der Regelfall sein dürfte).
Eine Kürzung der Nutzungsausfallentschädigung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich die Reparaturarbeiten über einen längeren Zeitraum, als vom Schadensgutachter Dipl.-Ing. W… veranschlagt, hinzogen. Eine Verzögerung der Reparatur durch die beauftragte Werkstatt oder wegen der Dauer der Ersatzteilbeschaffung geht grundsätzlich zu Lasten des Schädigers.
… war es auch nicht erforderlich, dass die Klägerin ihre finanziellen Verhältnisse gegenüber der Beklagten vorgerichtlich von sich aus offenlegte.
Und deshalb sollte ein versierter (Fach)anwalt für Verkehrsrecht mit an Bord sein, weil:
… Ist der Geschädigte aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, die Durchführung der Reparatur oder Ersatzbeschaffung zu veranlassen, so hat er dies dem Schädiger bzw. dessen Versicherer anzuzeigen und einen Vorschuss bzw. eine Reparaturkostenübernahmeerklärung einzufordern.
Aber auch:
Details zu seinen Vermögensverhältnissen muss der Geschädigte bei der Information des Gegners über das Fehlen der finanziellen Möglichkeiten zu Durchführung der Reparatur nicht mitteilen; es obliegt vielmehr der Schädigerseite hierzu gegebenenfalls entsprechende Nachweise anzufordern.
OLG Nürnberg, Urteil vom 28.08.2020 – 13 U 1187/20
(Noch) kein Mitverschulden durch Nichttragen eines Fahrradhelms
Zumindest im Alltagsradverkehr begründet das Nichttragen eines Helms nach wie vor kein Mitverschulden des verletzten Radfahrers. Eine allgemeine Verkehrsauffassung des Inhalts, dass Radfahren eine Tätigkeit darstellt, die generell derart gefährlich ist, dass sich nur derjenige verkehrsgerecht verhält, der einen Helm trägt, besteht weiterhin nicht (Anschluss und Fortführung von BGH, Urteil vom 17. Juni 2014, VI ZR 281/13).
AG Dinslaken, Urteil vom 07.04.2020, AZ: 30 C 402/19
Probefahrtkosten / Zulassungsdienst / Entsorgungskosten / Reinigungskosten und Co. – alles ist zu erstatten
Und das AG Dinslaken arbeitet das “katalogmäßig” ab:
Die Sicht-/Funktionsprüfung ist ein wichtiger Arbeitsschritt, der gesondert abzurechnen ist.
Auch die Probefahrt ist erforderlich gewesen. Denn auch wenn überwiegend Karrosseriearbeiten durchgeführt wurden, muss von den Arbeitern überprüft werden, ob die bearbeiteten Karosserieteile während der Fahrt vibrieren oder Geräusche von sich geben.
Die Kosten für den Zulassungsdienst der Werkstatt und für die neuen Kennzeichen sind nicht überhöht.
Die Entsorgungskosten sind zu ersetzen. Die Entsorgung von Altteilen ist kostenpflichtig. Die Beklagte hat unsubstantiiert behauptet, dass die Hersteller Altteile kostenlos entgegen nehmen.
Die Verbringungskosten in Höhe von insgesamt 270,00 € sind zu ersetzen. Die Kosten für die Verbringung zu einer Fremdlackiererei gehören wie die Kosten des Lackieren selbst zu dem zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag.
Daneben sind auch die Reinigungskosten unfallbedingt erstattungsfähig. Das Gericht hält es für lebensnah, dass mit der Durchführung der hier unstreitig unfallbedingt erforderlichen umfangreichen Reparaturmaßnahmen eine Verschmutzung des Klägerfahrzeugs verbunden ist.
OLG Celle, Urteil vom 25.11.2020, 14 U 93/20
Erstattungsfähigkeit von Mietwagenkosten für ein Luxusfahrzeug nach einem Verkehrsunfall
Grundsätzlich darf im Haftpflichtschadenfall ein typengleiches Luxusfahrzeug als Ersatz angemietet werden.
Das gilt aber nicht völlig schrankenlos: Einem Geschädigten kann es zugemutet werden, für kurze Zeit – hier elf Tage – auf eine Luxusausstattung, das Prestige und/oder die besondere Fahrfreude eines Sportwagens zu verzichten, wenn ein typengleiches Fahrzeug nur für eine besonders hohe Miete erhältlich ist (hier das Vierfache des Tagespreises für ein Fahrzeug der höchsten Klassen nach den Schwacke- und Fraunhofer-Listen).
Quelle: → Volltext → OLG Celle 14 U 93/20
AG München, Urteil vom 27.11.2020, AZ: 333 C 17092/20
Ein Schmankerl zur Erstattungsfähigkeit der Desinfektionskosten
… Nicht die Ansetzung dieser Kosten ist „unsinnig und lebensfremd“, sondern die Argumentation der Beklagten. Die entsprechenden Maßnahmen dienen nicht nur dem Schutz des Mitarbeiters (was i.Ü. auch nicht zu beanstanden, sondern erforderlich ist), sondern auch dem Schutz des Kunden. Dieser kann in der heutigen Zeit erwarten, ein desinfiziertes Fahrzeug zu übernehmen. Eine „vertragliche Vereinbarung“ ist gar nicht notwendig, da sich die Maßnahmen jedem verständig denkendem Durchschnittsbürger geradezu aufdrängen. Sie sind, gleich wessen Schutz sie dienen, durchzuführen und erforderlich.
Die behauptete Einschätzung des RKI etc. spielt keine Rolle, da nunmehr allgemein bekannt sein sollte, dass COVID19-Viren längere Zeit, je nach Oberfläche mehrere Stunden bis Tage, überlebensfähig sind. Es muss gerade in der aktuellen Pandemiesituation alles erdenklich Mögliche und Zumutbare unternommen werden, um die Verbreitung des Virus einzudämmen und Schaden an Gesundheit und Leben zu verhindern.
Dass die Anwendung von Desinfektionsmitteln hierunter fällt, ist allgemein bekannt und wird diesseits sicher nicht mit „Sachverständigengutachten“ überprüft werden. Das Gericht geht davon aus, dass sich – ebenso wie allein hier im Haus – in den Rechtsanwaltskanzleien etc. und auch in den Räumen der Versicherer nicht nur Desinfektionsspender befinden, sondern auch regelmäßig umfangreiche Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt werden.
Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag der Beklagten schlechterdings unverständlich und unhaltbar.
In seinem Urteil verweist das AG München zudem auf einen Weblink der Allianz (siehe hier), die ihrerseits von einer Erforderlichkeit von Desinfektionskosten ausgeht und verweist zudem auf einen Link der HUK-COBURG (die Seite ist leider nicht mehr verfügbar) und des ZKF (siehe hier).
Nachtrag aus dem Urteil (mittlerweile ist der Link auf der Seite der HUK-COBURG nicht mehr verfügbar):
Selbst die Versicherungswirtschaft geht von der Erforderlichkeit einer Fahrzeugdesinfektion aus:
Beispielhaft bzgl. Allianz:
https://azt-automotive.com/de/themen/Fahrzeugdesinfektion
und bzgl. HUK:
https://www.huk.de/gesundheit-vorsorge-vermoegen/ratgeber/praevention/auto-desinfizieren.html