OLG Bamberg, Beschluss vom 15.12.2017 – 2 Ss OWI 1703/17
Bußgeldverfahren: Standardisiertes Messverfahren setzt Einhaltung der Bedienungsanleitung voraus
1. Von einem im standardisierten Messverfahren gewonnenen Messergebnis kann auch bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem sogenannten Einseitensensor vom Typ ES3.0 grundsätzlich nur bei Einhaltung der in der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers enthaltenen Vorgaben ausgegangen werden.
2. Eine von der Bedienungsanleitung relevante Abweichung liegt bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem sogenannten Einseitensensor vom Typ ES3.0 vor, wenn die gerätespezifische Fotodokumentation der Messung allein durch eine funkgesteuerte, jedoch ungeeichte Zusatzfotoeinrichtung und nicht auch durch die nach der Bedienungsanleitung vorgesehenen eichpflichtigen und mittels Kabel mit der Rechnereinheit verbundenen Fotoeinrichtungen erfolgt.
KG, Beschl. v. 25.07.2017 – (6) 121 Ss 91/17 (32/17)
Leitsatz:
Für die Frage, wer Halter eines Fahrzeuges ist, kommt es nicht darauf an, wer der Eigentümer ist oder ob das Fahrzeug auf diese Person zugelassen ist.
Aus den Gründen:
Ob der Begriff des Halters in diesem Sinne mit einer gleichförmigen Bedeutungszuschreibung geläufig ist, erscheint schon deshalb fraglich, weil entgegen verbreiteter Ansicht für die Haltereigenschaft weder die Eigentumsverhältnisse ausschlaggebend sind noch die Frage, auf wen das Fahrzeug zugelassen ist (vgl.KG a.a.O.).
Der Halterbegriff entstammt vielmehr § 833 BGB und gilt einheitlich für das gesamte Straßenverkehrsrecht. Maßgeblich ist, von wem das Fahrzeug auf eigene Rechnung gebraucht wird, wer also die Kosten bestreitet und die Verwendungsnutzungen zieht und wer tatsächlich, vornehmlich wirtschaftlich, über die Fahrzeugbenutzung (als Gefahrenquelle) so verfügen kann, dass es dem Wesen der Veranlasserhaftung entspricht (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht a.a.O.; KG, a.a.O.; König in Hentschel/König/Dauer , Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 7 StVG Rdnr. 14 m.w.N.).
Halter ist mithin diejenige Person, die tatsächlich über die Fahrzeugbenutzung verfügen kann, wobei die Verfügungsgewalt darin bestehen muss, dass der Fahrzeugbenutzer Anlass, Ziel und Zeit seiner Fahrten selbst bestimmt (vgl. König a.a.O.).
(Dieses Urteil ist zwar in einem Strafverfahren ergangen, gilt aber über das Strafrecht hinaus auch für Bußgeldverfahren / Zivilverfahren)
AG Dortmund, Urteil vom 06.02.2018 – 729 OWi-261 Js 2511/17-379/17
Bei dem Vorwurf des Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit ist eine polizeiliche Schätzung ohne weitere tatsächliche Feststellungen nicht ausreichend als Verurteilungsgrundlage.
Ohne konkrete Geschwindigkeitsfeststellungen bedarf es insbesondere der Feststellung eines besonderen Fahrverhaltens oder eines hierdurch bedingte Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer, dass einen Schluss dahin nahelegt, dass die konkret gefahrene Geschwindigkeit zur Tatzeit den Umständen nicht angepasst war.
Diese Feststellungsanforderungen sind auch nicht durch ein Geständnis des Betroffenen am Tatort („Es stimmt, ich war zu schnell“) herabgesetzt.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.01.2018 – 2 Rb 9 Ss 794/17
Geschwindigkeitsüberschreitung – Abstand zwischen Verkehrszeichen und Messstelle
Schrittgeschwindigkeit (Zeichen 325.1)
1. Durch Verwaltungsvorschriften ist in Baden-Württemberg seit dem 1. Juli 2015 kein bestimmter Abstand zwischen dem die Geschwindigkeitsbeschränkung anordnenden Verkehrszeichen und der Messstelle mehr vorgeschrieben.
Ob dieser Abstand Einfluss auf die Bewertung des Verstoßes hat, ist danach einzelfallabhängig …
2. Schrittgeschwindigkeit (Zeichen 325.1) lässt keine höhere Geschwindigkeit als 7 km/h zu.
OLG Hamm, Beschluss vom 29.08.2006, 2 Ss OWi 358/06
Bei einer während Dunkelheit durchgeführten Geschwindigkeitsmessung mit einem Lasermessgerät bedarf es einer vom Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbaren Darlegung des Tatrichters, warum trotz widriger Verhältnisse vernünftige Zweifel an der Zuordnung des Fahrzeugs nicht bestehen.
Grundsätzlich ist das hier verwendete Lasermessgerät ################ in der obergerichtlichen Rechtsprechung als so genanntes standardisiertes Messverfahren anerkannt (vgl. die o.a. Nachweise und Boettger in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 1093 ff.). Anerkannt ist in der Rechtsprechung aber auch, dass bei diesem Lasermesssystem Bedenken gegen die gewonnenen Ergebnisse daraus resultieren können, dass unter bestimmten Bedingungen – schlechte Sichtverhältnisse und/oder hohe Verkehrsdichte – die Zuordnung des Messergebnisses zu einem bestimmten Fahrzeug besonderer Überprüfung bedarf. Da dieses Lasermessverfahren bisher nicht mit einer fotografischen Dokumentation verbunden ist, bedarf es unmittelbar nach Abschluss der Messung der Weitergabe des Messergebnisses und des Kennzeichens durch den Messenden an den Anhalteposten und der Aufnahme dieser Daten in das Messprotokoll. Insoweit ist das Messverfahren deshalb nicht als standardisiert anzusehen, weil in diesem Bereich menschliche Fehlerquellen, insbesondere Zuordnungsprobleme auftreten können (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. 4. 1996, 3 Ss OWi 194/96). Ungünstige Lichtverhältnisse und/oder hohe Verkehrsdichte können die zweifelsfreie Zuordnung des gemessenen Fahrzeugs zu dem schließlich vom Anhalteposten überprüften erschweren. Es bedarf deshalb in diesem Fall einer vom Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbaren Darlegung des Tatrichters, warum – trotz widriger Verhältnisse – vernünftige Zweifel an der Zuordnung des Fahrzeugs nicht bestehen (OLG Hamm NZV 1997, 187, 188).
Nach den tatrichterlichen Feststellungen wurde der Verkehrsverstoß am ###### #### um ##### Uhr auf der L-Straße in I begangen. Im Rahmen der (zulässigen) Verfahrensrüge der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags führt der Verteidiger des Betroffenen zudem aus: “Ausweislich Blatt 18 der Akte lfd. Nummer 5 war das Fahrzeug des Betroffenen gerade kein Einzelfahrzeug. Es gab also weitere Fahrzeuge neben dem Fahrzeug des Betroffenen an Ort und Stelle. Insoweit ist sowohl eine Falschmessung als auch eine Fehlzuordnung des Messwertes ohne Wenn und Aber möglich.”
Aufgrund dieser Anhaltspunkte hätte es hier entweder näherer Urteilsfeststellungen dazu bedurft, dass die L-Straße in I zur Zeit der Geschwindigkeitsmessung – es war dunkel – gut ausgeleuchtet war oder aber im Rahmen der Beweiswürdigung eines näheren Eingehens, warum aus sonstigen Gründen hier eine Fehlzuordnung der Messung zum Pkw des Betroffenen ausgeschlossen werden konnte.
(Quelle für Leitsatz: Burhoff, https://www.burhoff.de/asp_beschluesse/beschluesseinhalte/179.htm)
OLG Bamberg, Beschluss v. 02.05.2018 – 3 Ss OWi 490/18
Absehen vom Regelfahrverbot – Augenblicksversagen
AG Schleswig, Beschl. v. 5.7.2018 – 53 Owi 107 Js 8757/18
Wird im Bußgeldbescheid betreffend den Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung der Tatort nur mit der Straßenbezeichnung ohne nähere Eingrenzung umschrieben, sodass für die Tatbegehung eine erhebliche räumliche Varianz besteht, besteht die Gefahr einer Verwechselung mit anderen ordnungswidrigen Geschwindigkeitsüberschreitungen durch den Betroffenen. Der Bußgeldbescheid ist dann unwirksam.
Aus den Gründen:
Gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. OWiG tritt die Verjährungsunterbrechung durch Erlass bzw. Zustellung des Bußgeldbescheides nur dann ein, wenn auch ein wirksamer Bußgeldbescheid vorliegt (Gerlter, BeckOK, OWiG, § 33 Rz. 112). Das ist vorliegend nicht der Fall. Der von der Verteidigung angegriffene Bußgeldbescheid leidet indes unter schwerwiegenden Mängeln, da eine exakte Angabe des Tatortes im Bußgeldbescheid nicht angegeben ist und insofern eine Verwechselungsgefahr mit möglicherweise anderen Ordnungswidrigkeiten nicht ausgeschlossen werden kann (AG Lüdingshausen BeckRS 2015, 12516, AG Husum BeckRS 2017, 128121; im Übrigen bereits BGH NJW 1970, 2222, 2223; so auch ausdrücklich Rebler NZV 2016, 304, 308). Maßgebend ist danach eine Abgrenzung im Einzelfall. Die Konkretisierung des Tatvorwurfs und des Tatortes müssen jedoch nicht nur sicherstellen, dass der Betroffene überhaupt ein Bewusstsein für den ihm vorgeworfenen Verstoß bilden kann und dass insbesondere Verwechselungen sicher ausgeschlossen sind. Gerade bei Verkehrsverstößen, die sich relativ kurzen Zeiträumen relativ häufig zu wiederholen zu vermögen, sind insoweit problematisch und müssen von der Bußgeldbehörde im Bußgeldbescheid präzise konkretisiert werden (bereits BGH a.a.O.). So liegt der Fall hier, denn es besteht die Gefahr einer Verwechselung mit anderen ordnungswidrigen Geschwindigkeitsüberschreitungen durch den Betroffenen. Der Bußgeldbescheid umschreibt den Tatort nur mit der Straßenbezeichnung ohne nähere Eingrenzung, sodass für die Tatbegehung eine erhebliche räumliche Varianz besteht. Insofern ist der Verteidigung Recht zu geben, dass auf einer Fahrstrecke von mindestens 1,7 KM weitere Verstöße durch den Betroffenen bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung nicht ausgeschlossen werden können. Dies auch insbesondere, weil der Betroffene nach dem vorliegenden Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 17.01.2018 nicht zum ersten Mal mit einer Geschwindigkeitsübertretung konfrontiert ist. Auf eine zurückgelegten Distanz von knapp 2 Kilometern mit wechselnder Bebauung erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass entsprechend weitere Verstöße durch Überholmanöver, Abbremsen und Beschleunigen begangen worden sind.
Entgegen der in der Verfügung vom 16.05.2018 vertretenen Rechtsauffassung kann der Mangel des Bußgeldbescheides nicht durch eine Zusammenschau mit dem Akteninhalt oder ggf. aufgenommenen anderen Verstößen geheilt werden. Denn das Verjährungsrecht – und dies wurde in der Verfügung der Dezernatsvorgängerin verkannt – ist formelles Recht, das zwingend ist. Mit anderen Worten darf der Akteninhalt bei Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht herangezogen werden, da ansonsten die formelle Verjährungsfolge – namentlich das Erlöschen der Ahndungsmöglichkeit umgangen werden würde. Das gilt auch wenn der Verstoß durch den Betroffenen möglicherweise aus dem Akteninhalt ersichtlich ist. Die Bezugnahme auf den Akteninhalt zur Heilung von Mängeln des Bußgeldbescheides ist nur bei nicht schwerwiegenden, die Wirksamkeit nicht beeinträchtigenden Mängeln möglich (Rebler a.a.O. 306 m.w.N.). Bei schwerwiegenden Mängeln – wie der hier fehlenden Umgrenzungsfunktion – darf die Heilung schon deshalb nicht eintreten, weil sie sonst die Schutzfunktion des Bestimmtheitsgrundsatzes vollständig aufheben würden. Dieser dient aber im Ergebnis dem Schutz der Bürger davon zum Objekt staatlicher Willkür zu werden und ist letztlich Ausdruck von verfassungsrechtlich verbürgten Verfahrensgarantien, die den Grundstein rechtsstaatlichen Handelns bilden.
Quelle: AG Schleswig, Beschl. v. 5.7.2018 – 53 Owi 107 Js 8757/18, BeckRS 2018, 15875
Hinweis von uns: Das sehen leider andere Gerichte anders, wobei man sich dann wirklich fragen muss, warum dem Bußgeldbescheid eine Umgrenzungsfunktion innewohnen soll und muss, dann aber, so auch insb. das KG Berlin, auf den übrigen Akteninhalt zurückgegriffen werden darf. Dies würde im Prinzip darauf hinauslaufen, dass es der Tatortbeschreibung im Bußgeldbescheid gar nicht bedarf (konsequenterweise könnte man dann ja auch noch auf die Angabe der Tatzeit verzichten). Wir berichten weiter.
OLG Bamberg, Beschluss vom 09.11.2017 – 3 Ss OWi 1556/17
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 12.03.2018 – 3 OWi Qs 62/17
Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand
Bei attestierter mehrtägiger Bettlägerigkeit darf der Betroffene davon ausgehen, ausreichend entschuldigt zu sein und dem Hauptverhandlungstermin fernbleiben zu dürfen.
OLG Bamberg, Beschluss v. 03.07.2018 – 3 Ss OWi 932/18
Gehörsverstoß wegen Nichtberücksichtigung schriftlicher Sacheinlassung des entbundenen Betroffenen
Nach Art. 103 I GG ist eine schriftliche, ggf. durch die Verteidigung weitergeleitete Sacheinlassung des von der Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung entbunden (abwesenden) Betroffenen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie dem Gericht erst am Sitzungstag unmittelbar vor dem anberaumten Termin übermittelt wird. Darauf, ob die Sacheinlassung bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung dem Gericht vorgelegt wird oder ihr Inhalt tatsächlich zur Kenntnis des Gerichts gelangt ist, kommt es nicht an.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 31.05.2016, (2 B) 53 Ss-OWi 116/16 (57/16)
Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung: Absehen von einem Regelfahrverbot wegen Irrtums über das Verlassen einer geschlossenen Ortschaft
Leitsatz
Wenn sich ein Fahrzeugführer nach Verlassen des Ortskerns aufgrund dünner werdender Besiedelung und weitgehend fehlender Bebauung zu der Annahme verleiten lässt, er sei bereits außerhalb der Ortslage, vermag dies einen Ausnahmefall, der entgegen der Regelanordnung von § 4 Abs. 1 Satz 1 BKatV, § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigt, regelmäßig nicht zu begründen.
AG Dortmund, Urteil vom 03.07.2018 – 729 OWi-267 Js 924/18 -145/18
1. Es liegt kein die Indizwirkung des Regelfahrverbotstatbestands in Wegfall bringender atypischer Rotlichtverstoß vor, wenn der Betroffene einen Rotlichtverstoß mit Unfallverursachung begeht, weil er sich von anderen (richtigerweise) anfahrenden Verkehrsteilnehmern mitziehen lässt infolge einer Konzentration auf eine im Radio laufende Fußballbundesligaberichterstat
2. Einem Hoteldirektor ist es für die Dauer eines anstehenden Fahrverbotes zumutbar, sich selbst ein Zimmer in dem von ihm geführten Hotel zu nehmen.
AG Dortmund, Urteil vom 08.10.2018 – 729 OWi-252 Js 1513/18-250/18
einfacher / qualifizierter Rotlichtverstoß und Beweisverwertung von Polizeibeamten als Zeugen
Kann sich der Polizeibeamte an einen von dem Betroffenen eingeräumten Rotlichtverstoß nicht wirklich erinnern und findet sich in der Akte keine weitere Schilderung des Vorfalles durch den Polizeibeamten, so kann die 1-Sekunden-Zeit für einen so genannten qualifizierten Rotlichtverstoß nicht allein daraus entnommen werden, dass in der Vorwurfsschilderung für deren Richtigkeit der Zeuge die Verantwortung übernimmt, die Tatbestandsnummer 1376018 eingetragen und die stichwortartige Konkretisierung: „Rotlicht missachtet über eine 1 Sekunde“ aufgenommen wurde.
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 05.11.2018, 1 OWi 2 Ss Bs 75/18
Elektrofahrzeug – Geschwindigkeitsbeschränkung (hier “Lärmschutz” – Tatvorsatz – Fahrverbot und Zeitablauf
Auch bei einem Elektrofahrzeug steigen mit zunehmender Geschwindigkeit Art und Umfang der Fahr(außen)geräusche sowie der durch das Abrollen der Räder bewirkten Fahrzeugvibrationen; auch ist für den Fahrer das Maß der gefahrenen Geschwindigkeit anhand der schneller vorbeiziehenden Umgebung erkennbar.
Die Tatrichterin musste in ihren Ausführungen zur Begründung des Tatvorsatzes auch mit Blick auf das Ausmaß des Verstoßes (Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit von 100 km/h um 74 km/h auf einer Bundesstraße) daher nicht ausdrücklich den Umstand erörtert, dass die antriebsbedingten Fahrgeräusche und Vibrationen bei einem Elektrofahrzeug deutlich geringer sind als bei einem PKW mit Verbrennungsmotor.
Die Bußgeldrichterin war nicht mit Blick auf den zwischen Tat und Urteil verstrichenen Zeitablauf von ca. 19 Monaten gehalten, den erzieherischen Zweck des Fahrverbots näher zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 13.11.2017 – 1 OWi 2 Ss Bs 48/17, juris Rn. 5).
OLG Köln, Beschluss vom 19.10.2018 – III-1 RBs 324/18
Es besteht der Erfahrungssatz, dass Verkehrszeichen regelmäßig so aufgestellt werden, dass sie bei zumutbarer Aufmerksamkeit vom durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer im Fahren durch beiläufigen Blick erkannt werden können.
Auch zu möglichen Mängeln der Aufstellung muss sich das Tatgericht daher nur gedrängt sehen, wenn die Sachverhaltsfeststellungen hierzu Veranlassung bieten.
OLG Dresden, Beschluss vom 02.06.2005, Ss (OWi) 249/05
Hat ein Kraftfahrer ein Ortseingangsschild übersehen und musste sich ihm aufgrund äußerer Umstände (vorhergehender Geschwindigkeitsrichter, Bebauung) nicht aufdrängen, dass er sich innerorts befand, ist die Annahme eines Augenblicksversagens nicht zu beanstanden.
OLG Bamberg, Beschluss vom 06.06.2012 – 2 Ss OWi 563/12
Dennoch kann u.U. ein Irrtum über die beschränkte Wirkung von Zusatzschildern dazu führen, dass trotz Vorliegens der Regelvoraussetzungen die Anordnung eines Fahrverbots entfällt; dies etwa dann, wenn eine deutliche Trennung des durch das Zusatzschild eingeschränkten Überholverbots von dem Zeichen 274 nicht vorgenommen ist.
OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2018, 3 Ss (OWi) 190/18
Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbegrenzung
Danach gilt der Grundsatz, dass das Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung
gekennzeichnet ist durch die Zeichen 278 bis 282.
Eine Kennzeichnung erfolgt nicht, wenn auf einem Zusatzzeichen die Länge des Verbots angegeben ist.
Schließlich ist das Ende des Streckenverbots auch dann nicht gekennzeichnet, wenn das Verbotszeichen zusammen mit einem Gefahrzeichen angebracht ist und sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergibt, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.1.2019, 2 Rb 8 Ss 830/18
Qualifizierter Rotlichtverstoß, (Regel)fahrverbot, Augenblicksversagen, Wechsellichtzeichen
Ein qualifizierter Rotlichtverstoß indiziert grundsätzlich auch dann ein (Regel-)Fahrverbot, wenn dieser aufgrund irrtümlicher Zuordnung des für eine andere Fahrbahn erfolgten Grünlichts begangen wird (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
Und aus dem Gründen:
Sind mehrere Spuren mit jeweiligen Wechsellichtzeichen vorhanden, ist ein Kraftfahrer verpflichtet, erhöhte Vorsicht und Aufmerksamkeit walten zu lassen (KG Berlin aaO). Demzufolge kann von einem „Augenblicksversagen“ keine Rede sein. Ein solches kann (nur) in Betracht kommen, wenn ein unübersichtliches Verkehrsgeschehen falsch gedeutet oder eine verwirrende Verkehrsregelung falsch verstanden wird, auf eine überraschend eingetretene Verkehrslage falsch reagiert oder ein Verkehrszeichen schlicht übersehen wird und die sichtbaren äußeren Umstände auch nicht auf eine Beschränkung oder ein Ge- oder Verbot hingedeutet haben. Ersichtlich liegt keine dieser Voraussetzungen vor. Das OLG Karlsruhe hat ein „Augenblicksversagen“ bei einem Rotlichtverstoß selbst dann verneint, wenn sich ein Fahrzeugführer in seiner Aufmerksamkeit durch ein wegen eines Defektes liegen gebliebenes Fahrzeug ablenken lässt.
OLG Saarbrücken vom 26.06.2018, SS RS 13/2018 28/18 OWI
Die Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit mit dem Zusatzzeichen
“Montag bis Freitag, 07.00 – 17.00 h“
und dem weiteren Schild
“Vorsicht Kinder“
gilt auch an gesetzlichen Feiertagen (hier ging es um den Ostermontag),
betont das OLG Saarbrücken noch einmal und führt aus:
Danach gilt die angeordnete Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auch dann, wenn es sich bei dem betreffenden Wochentag um einen gesetzlichen Feiertag handelt und über dem Zeichen 274 das Zeichen 136 „Kinder‘ angebracht ist.
Insbesondere darf es im Interesse der Verkehrssicherheit nicht dem einzelnen Verkehrsteilnehmer überlassen bleiben, nach einer differenzierten Betrachtung selbst zu beurteilen, ob die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufgrund der örtlichen Besonderheiten auch für gesetzliche Feiertage gewollt und geboten ist oder nicht.
Da der Straßenverkehr einfache und klare Regeln erfordert, müssen Unbequemlichkeiten, die sich aus einem der Regel entsprechenden Verhalten ergeben und auch zumutbar sind, im Interesse der Verkehrssicherheit in Kauf genommen werden.