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OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2023, 2 U 303/21
Kein Abzug eines Großkundenrabatts bei fiktiver Totalschadenabrechnung
Die Auffassung des Landgerichts, die Klägerin müsse sich einen auf Neupreise erzielbaren Rabatt anspruchsmindernd entgegenhalten lassen, lässt den Umstand unberücksichtigt, dass sich die Naturalrestitution vorliegend nicht auf die Anschaffung eines Neufahrzeugs richtet. Die Anschaffung eines Neufahrzeugs entspräche nur dann ausnahmsweise dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn sie unter Berücksichtigung des Sonderrabatts günstiger wäre als die Anschaffung eines entsprechenden Gebrauchtwagens. Da ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt, ist – wie dargelegt – die Naturalrestitution auf den Preis eines gebrauchten Kraftfahrzeugs beschränkt.
Nach der subjektbezogenen Schadensbetrachtung kann ein Rabatt jedoch nur dann anspruchsmindernd berücksichtigt werden, wenn er auf den Erwerb von Gebrauchtfahrzeugen gewährt wird. Nach den tatbestandsmäßigen Feststellungen des Landgerichts kauft die Klägerin allerdings keine Gebrauchtwagen an. Damit ist es ausgeschlossen, dass der Klägerin ein Großkundenrabatt für Gebrauchtwagen zugänglich ist.
Zum einen ist für die Schadensabwicklung alleine der Preis maßgebend, den der Geschädigte beim Kauf eines gleichwertigen Fahrzeugs aufwenden müsste. Auf die Anschaffungskosten, den Abschreibungswert oder den Preis, den der Geschädigte beim Verkauf des Unfallfahrzeugs in unbeschädigtem Zustand erzielt hätte (Zeit- oder Veräußerungswert), kommt es hingegen nicht an (BGH, Urteil vom 23. Mai 2017 – VI ZR 9/17, juris Rn. 9). Zum anderen ist in die Betrachtung auch nicht einzubeziehen, ob das verunfallte Fahrzeug durch ein Neufahrzeug ersetzt wird. Die Naturalrestitution richtet sich nicht hierauf, sondern auf den Betrag, der für die Anschaffung eines Gebrauchtwagens erforderlich ist (BGH, Urteil vom 23. Mai 2017 – VI ZR 9/17, juris Rn. 8). Ob die Klägerin den Betrag, der sich nach dem Wert eines Gebrauchtwagens ermittelt, dafür einsetzt, ein (höherwertiges) Neufahrzeug zu erwerben, steht in ihrer Dispositionsfreiheit. Der Geschädigte ist aufgrund der nach anerkannten schadensrechtlichen Grundsätzen bestehenden Dispositionsfreiheit in der Verwendung der Mittel frei, die er vom Schädiger zum Schadensausgleich beanspruchen kann (BGH, Urteil vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02, juris Rn. 7; BGH, Urteil vom 5. April 2022 – VI ZR 7/21, juris Rn. 11).
Quelle → VOLLTEXT über DIREKTLINK
OLG Koblenz, Beschluss vom 16.01.2023 – 12 U 1292/22
Zum x-ten Mal – Geschädigter muss mit dem Verkauf des Restwertes nicht zuwarten
1. Übersendet der Geschädigte, der mit seinem Fahrzeug einen Totalschaden erlitten hat, das eingeholte Sachverständigengutachten (mit darin ausgewiesener Restwertangabe) an die gegnerische Versicherung, muss er mit dem Verkauf des Fahrzeugs nicht warten oder auch nur die gegnerische Versicherung von seiner Verwertungsabsicht in Kenntnis setzen, damit diese ihm noch ein günstigeres Restwertangebot unterbreiten kann.
2. Eine insgesamt schleppende Zahlung der Versicherung des Schädigers und deren unnachgiebige Haltung hinsichtlich der Restwertbestimmung durch beharrliches Festhalten an einem unterbreiteten höheren Restwertangebot können einem Geschädigten berechtigten Anlass geben, einen Rechtsanwalt mit der Einholung der Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung zu beauftragen, so dass der Schädiger dann auch für hierdurch anfallende Kosten einzustehen hat.
Quelle: Beck-Verlag / BeckRS 2023, 5129
OLG FFM, Urteil vom 21.07.2022, 11 U 7/21
Ein Ford kann auch mal ein Porsche sein oder so ähnlich – Keine Nutzungsausfallentschädigung während Reparaturzeit bei niederklassigerem Alternativfahrzeug
Einem Unfallgeschädigten steht während der Reparaturzeit eines beschädigten Porsche keine Nutzungsausfallentschädigung zu, wenn ihm ein Ford als Zweitfahrzeug zur Verfügung steht; auf eine Einschränkung des Fahrvergnügens kann er sich nicht berufen.
Quelle → VOLLTEXT / OLG FFM / 21.07.2022 / 11 U 7/21
und dann noch gleich ähnlich:
LG Bad Kreuznach, Beschluss vom 27.07.2017, 1 S 3/17
Ein Corsa kann auch mal ein BMW Z4 sein oder so ähnlich…
Der Ersatz des Nutzungsausfalls nach Verkehrsunfall erfordert eine fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung. Der Anspruch entfällt daher, wenn der Einsatz eines Zweitwagens möglich und zumutbar ist.
Bei der Frage der Zumutbarkeit geht es im Wesentlichen um die „Fühlbarkeit der Entbehrung“ der Nutzung. An dieser „Fühlbarkeit der Nutzungsentbehrung“ fehlt es, wenn dem Geschädigten neben seinem unfallbeschädigten BMW Z4 mit einem Opel Corsa ein weiteres Kfz zur Nutzung zur Verfügung steht, welches er uneingeschränkt nutzen kann.
Dass es sich bei dem beschädigten BMW Z4 um einen hochmotorisierten, leistungsstarken, offenen Sportwagen handelt, bei dem Opel Corsa hingegen um ein „Brot-und-Butter-Auto“ und der Geschädigte längere Strecken ausschließlich mit dem BMW Z4 zurücklegt, begründet die an einem objektiven Maßstab zu prüfende „Fühlbarkeit der Nutzungsentbehrung“ nicht, da es bei dem insoweit nach der Schilderung des Geschädigten im Vordergrund stehende Fahrvergnügen und möglicherweise auch dem Auffälligkeitswert des BMW Z4 um in einer subjektiven Wertschätzung gründende immaterielle Beeinträchtigungen handelt, deren Bemessung nach objektiven Maßstäben nicht möglich ist (Anschluss OLG Düsseldorf, 15. November 2011, I-1 U 50/11, NJW-RR 2012, 545 und LG Duisburg, 13. Juni 2013, 8 O 122/12).
und
OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2011, I-1 U 50/11
Morgan Modell Plus 8 vs. Mercedes Benz E 200 Kompressor
An der “Fühlbarkeit” der Nutzungsentbehrung fehlt es im vorliegenden Fall aufgrund des Umstandes, dass dem Beklagten unstreitig ein weiteres, auf seinen Namen zugelassenes Kraftfahrzeug zur Verfügung steht – nämlich der Pkw Mercedes-Benz E 200 Kompressor. Der Kläger konnte auf diesen Wagen uneingeschränkt für den eigenwirtschaftlichen Einsatz im Rahmen seiner alltäglichen Lebensführung zurückgreifen. Zwar mag aus seiner Sicht der Gebrauch dieses Wagens im Vergleich zu dem Unfallfahrzeug Morgan Modell Plus 8 mit einem deutlich geringeren Maß an Fahrvergnügen und an Auffälligkeitswert verbunden sein. Eine solche immaterielle Beeinträchtigung gründet jedoch in einer subjektiven Wertschätzung des Klägers, welche sich gerade einer Bemessung der Nutzungseinbußen nach objektiven Maßstäben entzieht.
LG Bremen, Urteil vom 22.12.2021, 4 S 187/21
Es besteht kein Anspruch auf Vorlage der Fremdleistungsrechnung (hier des Fremdlackieres)
→ Das LG Bremen hatte im Urteil auch die Revision zugelassen.
Genauso auch:
AG Otterndorf, Urteil vom 10.02.2022, 2 C 239/21
AG Baden-Baden vom 19.02.2020 und 28.07.2020, 1 C 108/19
AG Flensburg, Urteil vom 16.08.2017, 63 C 210/16
Für den Glasschaden (Teilkasko) –
aber immer unter Beachtung der Versicherungsbedingungen
AG Landshut, Urteil vom 28.02.2018, Az. 4 C 49/18
OLG Celle, Urteil vom 10.11.2021, 14 U 136/20
Ersatzfähigkeit von Verbringungskosten und UPE-Zuschlägen auch bei fiktiver Abrechnung – Nutzungsausfallschaden im Rahmen der fiktiven Abrechnung
1. Verbringungskosten und UPE-Zuschläge sind auch bei fiktiver Abrechnung ersatzfähig, wenn sie nach den örtlichen Gegebenheiten in einer markengebundenen Fachwerkstatt angefallen wären.
2. Der Anspruch auf einen Nutzungsausfallschaden kann auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung bestehen, er setzt aber einen „fühlbaren“ Nachteil voraus. Dieser muss tatsächlich vermögensrechtlich eingetreten sein und darf nicht fiktiv bleiben.
Aus den Gründen:
zu 1. Verbringungskosten und UPE-Zuschläge
… ist es konsequent, im Rahmen der vom Gesetzgeber normierten und gewollten fiktiven Abrechnung des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Erforderlichkeit von Verbringungskosten und UPE-Aufschlägen nicht anders zu beurteilen, als die weiteren Einschätzungen des Sachverständigen zu den zu reparierenden Positionen. Verbringungskosten und UPE-Aufschläge machen ebenso wie alle anderen Positionen den Reparaturaufwand aus, der für die Behebung des Fahrzeugschadens erforderlich ist.
Verbringungskosten sind daher grundsätzlich auch bei fiktiver Abrechnung ersatzfähig, soweit sie in einem Gutachten eines anerkannten Sachverständigen Berücksichtigung gefunden haben und wenn sie nach den örtlichen Gepflogenheiten auch bei einer Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt angefallen wären (herrschende Rechtsprechung: … ).
Die vorgenannte Argumentation gilt auch für prozentuale Aufschläge auf Ersatzteilpreise (UPE-Aufschläge). Sie können ebenfalls bei der fiktiven Abrechnung verlangt werden, wenn und soweit sie regional üblich sind (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 12 StVG Rn. 24 m. w. N.).
zu 2. Nutzungsausfallentschädigung
Der Kläger hat allerdings nur einen Anspruch auf die vom Sachverständigen festgestellte Nutzungsausfallentschädigung als Obergrenze. Entscheidet sich der Geschädigte für die fiktive Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Schadensabwicklung angefallenen Schadensposten neben den vom Sachverständigen als erforderlich geschätzten nicht (zusätzlich) ersatzfähig. Der Geschädigte muss sich vielmehr an der gewählten Art der Schadensabrechnung festhalten lassen; eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig (BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 – VI ZR 146/16 -, Rn. 7; Urteil vom 13. September 2016 – VI ZR 654/15 -, Rn. 17; OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Juli 2019 – 5 U 696/19 –, Rn. 25, alle zitiert nach juris).
Der Kläger müsste daher konkret nachweisen, dass er aufgrund einer Reparatur tatsächlich an der Nutzung seines Fahrzeugs gehindert war. In diesem Fall würde er – aufgrund der von ihm gewählten fiktiven Abrechnung – den ex ante vom Sachverständigen prognostizierten, hypothetischen Wert als Obergrenze erhalten (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.1992 – VI ZR 226/91 -, Rn. 15; Urteil vom 23.03.1976 – VI ZR 41/74 -, Rn. 29; OLG München, Urteil vom 13.09.2013 – 10 U 859/13 -; alle zitiert nach juris; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 249 BGB (Stand: 08.09.2021), Rn. 212). Konkrete Verzögerungen blieben außer Betracht (OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Juli 2019 – 5 U 696/19 –, Rn. 21; LG Saarbrücken, Urteil vom 15. Mai 2015 – 13 S 12/15 –, Rn. 21, juris).
Aus dem vom Kläger eingeholten Gutachten ergibt sich eine Reparaturdauer von fünf bis sechs Tagen in der Nutzungsausfallgruppe F…
Die weiteren Voraussetzungen einer Entschädigung für einen entgangenen Gebrauchsvorteil eines Kraftfahrzeuges liegen vor:
Der Kläger hatte Nutzungswillen und hypothetische Nutzungsmöglichkeit. Seinen Nutzungswillen hat er bereits mit der Teilreparatur seines verkehrssicheren Fahrzeugs dokumentiert, in deren Rahmen das Fahrzeug mit einer neuen Folierung versehen wurde.
Überdies spricht in der Regel auch die Lebenserfahrung dafür, dass der Halter und Fahrer eines privat genutzten PKW diesen während eines unfallbedingten Ausfalls benutzt hätte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Januar 2007 – I-1 U 151/06; Urteil vom 1. Oktober 2001, Az.: 1 U 206/00 sowie Urteil vom 29. Oktober 2001, Az.: 1 U 211/00; Urteil vom 30.09.2002 – 1 U 43/02; OLG München, Urteil vom 27. Mai 2020 – 6 O 1674 –, Rn. 10, juris).
Soweit die Beklagte pauschal den Nutzungswillen des Klägers bestritten hat, handelt es sich um eine unerhebliche Vermutung, die durch keine Tatsachen unterlegt wird.
Quelle → VOLLTEXT / OLG Celle / 10.11.2021, 14 U 136/20
OLG München, Urteil v. 24.03.2021 – 10 U 6761/19
Fiktive Abrechnung: Beilackierung / Beilackierkosten (bei Metallic-Lackierung) / Ersatzteilzuschläge (UPE) / Nutzungsausfall
Weist das unfallbeschädigte Fahrzeug als Besonderheit eine Metalliclackierung mit Brillanteffekt auf, können die Kosten einer Beilackierung auch bei einer fiktiven Schadensberechnung abgerechnet werden.
UPE-Aufschläge können nicht beansprucht werden, wenn sich innerhalb eines Radius von 20 km vom Wohnort Fachwerkstätten befinden, die keine UPE-Aufschläge erheben (→ Anmerkung von uns: Es dürfte der Regelfall sein, dass Fachwerkstätten diese Ersatzteilzuschläge auch flächendeckend berechnen, so dass wir – zumindest in unserer Region – von einer Erstattungsfähigkeit ausgehen.).
Nutzungsausfallentschädigung steht dem Geschädigten regelmäßig für die Dauer der kalkulierten Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungsdauer, einer angemessenen Überlegungsfrist sowie für den Zeitraum bis zur Vorlage des Gutachtens zu.
AG Coburg, Urteil vom 27.08.2019 – 11 C 1316/19
Zur Erstattungsfähigkeit von Verbringungskosten und Reinigungskosten sowie Ein- und Ausbaukosten Dachreling / “Werkstattrisiko”
Das Werkstattrisiko geht insofern zulasten des Schädigers (AG Norderstedt, Urteil vom 14. 9. 2012 – 44 C 164/12; LG Köln, Urteil vom 07.05.2014 – 9 S 314/13). Dabei darf ein Geschädigter nach der oben angesprochenen subjektbezogenen Schadensbetrachtung grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das hierfür benötigten Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind und darf demgemäß – wie hier – einer Werkstatt den Auftrag erteilen, gemäß Gutachten zu reparieren (BGH, NJW, 302, 304; AG Düsseldorf, 21.11.2014 – 37 C 11789/11). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind (LG Köln, 07.05.2014, AZ: 9 S 314/13; AG Villingen-Schwenningen, 05.02.2015, AZ: 11 C 507/14; OLG Hamm, 31.01.1995, AZ: 9 U 168/94). Es besteht kein Grund dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Ein Auswahlverschulden der Klägerin ist insoweit nicht zu erkennen. Die durch die Werkstatt in der Reparaturrechnung belegten Aufwendung sind im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier gleichartige Aufwendung sich bereits aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergeben.
Hintergrund: Die beklagte Versicherung (die Kenner wissen sofort, um wen es sich hier handelt) hatte die Verbringungskosten mit nur 80 EUR abgerechnet.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2019, 1 U 115/18
Keine unzulässige Vermischung von fiktiver und konkreter Abrechnung bei Geltendmachung von Nutzungsausfall bei der fiktiven Abrechnung / Dauer der Entschädigung
Der Anspruch ist auch trotz fiktiver Abrechnung des Sachschadens nicht auf die im Schadensgutachten ausgewiesene Wiederbeschaffungsdauer von 12 – 14 Kalendertagen beschränkt. Zwar kann der Geschädigte in diesem Falle für die Wiederbeschaffung selbst keinen längeren Zeitraum als gutachterlich ausgewiesen in Rechnung stellen. Weil der Anspruch aber kein fiktiver ist, sondern dem Ausgleich eines tatsächlich entstandenen fühlbaren Nutzungsausfalls dient (BGH v. 10.06.2008 – VI ZR 248/07, juris Rdn. 7), ist es dem Geschädigten – im Rahmen der Erforderlichkeit einerseits und der Verhältnismäßigkeit andererseits (BGH v. 18.12.2007 – VI ZR 62/07, juris Rdn. 6) – auch bei fiktiver Abrechnung des Sachschadens unbenommen, dem Schädiger daneben alle Zeiträume in Rechnung zu stellen, die der eigentlichen Wiederbeschaffung bzw. Reparatur vorausgehen und binnen derer er unfallbedingt auf sein Fahrzeug verzichten musste. Regelmäßig ist ihm daher neben der kalkulierten Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungsdauer eine Nutzungsausfallsentschädigung auch für den Zeitraum zu gewähren, der bis zur Vorlage des Gutachtens vergangen ist. Ebenso hat er danach noch Anspruch auf Ausgleich eines eingetretenen Nutzungsausfalls für die Dauer einer angemessenen Überlegungsfrist. Allein Verzögerungen, die bei Durchführung der Reparatur auftreten, kann er nicht in Rechnung stellen, sondern muss sich insoweit an der geschätzten Reparaturdauer festhalten lassen (BGH v. 15.07.2003 – VI ZR 361/02). Gleiches gilt für die Wiederbeschaffungsdauer. Auch hier kann er dem Schädiger nicht entgegen halten, dass ein vergleichbares Fahrzeug auf dem Markt tatsächlich nicht zur Verfügung stand oder sich bei dessen Auslieferung Verzögerungen ergeben haben.
Seine finanzielle Leistungsfähigkeit ist dagegen der eigentlichen Schadensbeseitigung und damit auch dem Gegenstand der gutachterlichen Schätzung vorgelagert. Der Geschädigte kann den Reparaturauftrag erst erteilen, wenn er in der Lage ist, die Reparaturkosten zu begleichen. Ebenso kann er vernünftigerweise erst bestellen und kaufen, wenn er die Mittel dazu hat. Kann der Geschädigte also glaubhaft machen, dass er die Schadensregulierung aus finanziellen Gründen nicht betreiben konnte und aus diesem Grund auch in dieser Zeit auf ein Fahrzeug verzichten musste, so steht ihm auch für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Nutzungsausfallsentschädigung zu. Eine unzulässige Vermischung von konkreter und fiktiver Abrechnung erfolgt hierdurch nicht, da es um unterschiedliche Zeitabschnitte geht (a.A. LG Saarbrücken, Urteil vom 15.05.2015 – 13 S 12/15, juris Rdn. 23).
Quelle → OLG Düsseldorf / 28.05.2019 / 1 U 115/18
Für den Anspruch auf im Rahmen der fiktiven Abrechnung geltend gemachte Mietwagenkosten hat dies nahezu wörtlich entschieden:
LG Stendal, Urteil vom 25.11.2021, 22 S 34/21
AG Zossen, Urteil vom 29.04.2019, 5 C 175/18
Eine Verweisung auf einen Restwert-Ankäufer außerhalb Deutschlands ist dem Geschädigten nicht zumutbar
Ein Verweis auf Verwertungsmöglichkeiten in Polen ist daher nicht zulässig. Der Kläger sähe sich in diesem Fall dem Risiko ausgesetzt, gegebenenfalls vor polnischen Gerichten Ansprüche geltend machen zu müssen, in Polen zu vollstrecken oder sich seinerseits vor polnischen Gerichten gegen Ansprüche des Ankäufers verteidigen zu müssen. Es ist dem Geschädigten nicht zumutbar, sich im Rahmen der Restitution in eine fremde Rechtsordnung zu begeben oder sich der Gefahr ausgesetzt zu sehen, in dieser fremden Rechtsordnung in Anspruch genommen zu werden.
Auch wenn der ausländische Ankäufer den Ankauf am Wohnort des Klägers unter Barzahlung vornähme, wäre eine Inanspruchnahme des Geschädigten im Rahmen eines Rückabwicklungs-, Gewährleistungs- oder Schadensersatzbegehrens vor ausländischen Gerichten am Sitz des Käufers denkbar. Diese Gefahr ließe sich auch nicht in dem Geschädigten zumutbarer Weise vertraglich ausschließen. Ob das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung im jeweiligen Ausland vertraglich ausgeschlossen werden kann, vermag der Geschädigte regelmäßig nicht zu beurteilen. Hierfür müßte er abschätzen können, ob die ihm fremde Rechtsordnung – hier die polnische – die jeweilige Vertragsgestaltung (Gerichtsstandsvereinbarung, Gewährleistungsausschluß, Haftungsausschluß) als wirksam ansähe. Darüber hinaus müßte der Kläger sich nicht nur einer fremden Rechtsordnung aussetzen, sondern sein Recht auch in einer anderen Sprache verfolgen. Es liegt auf der Hand, daß auch dies die Rechtsverfolgung oder -verteidigung erheblich und somit unzumutbar erschwerte.
Quelle → VOLLTEXT / AG ZOSSEN und der RESTWERT aus POLEN
Ähnlich oder genauso:
AG Lübeck, Beschluss vom 11.08.2020, 22 C 1464/20
LG Stuttgart, Urteil vom 14.08.2019, 4 S 76/19
LG Schweinfurt, Urteil vom 12.04.2021, 23 O 899/20
Anspruch auf Löschung der Fahrzeugdaten aus dem Hinweis- und Informationssystem (HIS) der deutschen Versicherungswirtschaft bei fiktiver Abrechnung
Der / die Geschädigte hat auch bei fiktiver Abrechnung einen Anspruch darauf, dass die personenbezogenen Daten nach erfolgter Reparatur aus dem HIS gelöscht werden.
Dabei kommt es darauf an, dass der / die Geschädigte die sach- und fachgerechte Reparatur des Unfallschadens am eigenen Fahrzeug nachweist. Dieser Nachweis kann auch mittels einer Reparaturbestätigung eines beauftragten Sachverständigen erbracht werden. Und die Kosten für diese sachverständige Reparaturbestätigung sind erstattungsfähig (hier: 41,65 EUR).
AG Solingen, Urteil vom 01.04.2015, 11 C 631/14
Und die beliebte Frage: Totalschadenabrechnung und die Erstattung des Restbenzins
Leitsatz (nach NJW-RR 2015, 1375):
Im Falle eines Totalschadens ist der im Tank verbliebene Kraftstoff für den Geschädigten unbrauchbar, so dass auch der im Tank verbliebene Kraftstoff eine Schadensposition darstellt. Der Geschädigte kann nicht darauf verwiesen werden, den Kraftstoff abzupumpen, wenn der hierfür erforderliche Aufwand den Wert des Kraftstoffs überschreiten würde.
Aus den Gründen:
Im Fall eines Totalschadens ist der im Tank verblieben Kraftstoff für den Geschädigten unbrauchbar, sodass auch der verlorene Tank eine Schadensposition darstellt. Den Wert des Kraftstoff schätzt das Gericht auf 15,00 €. Laut Aussage des Sachverständigen haben sich noch etwa 10 l Kraftstoff in dem Wagen befunden. Die Menge des verbliebenen Kraftstoffs ist von den Beklagten nicht bestritten worden. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, den Kraftstoff abzupumpen, da der hierfür erforderliche Aufwand den Wert des Kraftstoffs überschritten hätte. Auch ist aus dem Sachverständigengutachten M nicht zu erkennen, dass der verbliebene Kraftstoff bereits bei dem Wiederbeschaffungswert berücksichtigt worden ist. Insoweit kommt es durch das Zusprechen des Wertersatzes für den Kraftstoff nicht zu einer Bereicherung des Geschädigten. Auch das Argument der Beklagten, bei der Anschaffung eines neuen Pkw sei Kraftstoff vorhanden, rechtfertigt es nicht dem Kläger den Wertersatz zu versagen, da diese ja die geschätzten 15 € für den Kraftstoff aufgewendet hat, den er jetzt nicht mehr nutzen kann.
Anmerkung (von uns):
Dieses Thema ist sehr umstritten (auch in der Rechtsprechung) und hierzu liest man alle denkbaren tatsächlichen wie rechtlichen Ansätze.
Zugunsten einer Erstattung äußern sich aber z.B.:
AG Minden, Urteil vom 23.09.2016, Az. 19 C 30/16
AG Regensburg, Urteil vom 14.6.2016, Az. 3 C 1136/16
AG Meschede, Urteil vom 10.11.2015, Az. 6 C 129/15
AG Solingen, Urteil vom 18.06.2013, Az. 12 C 638/12;
AG Germersheim, Urteil vom 08.03.2012, Az. 1 C 473/11
AG Landau/Pfalz, Urteil vom 26.08.2011, Az. 4 C 236/11
AG Pforzheim, Urteil vom 31.08.2007, Az. 5 C 23/07
OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.05.2019, 1 U 115/18
Keine unzulässige Vermischung fiktiver und konkreter Abrechnung beim Ausfallschaden für den “Schadenerforschungszeitraum”
Der Anspruch ist auch trotz fiktiver Abrechnung des Sachschadens nicht auf die im Schadensgutachten ausgewiesene Wiederbeschaffungsdauer von 12 – 14 Kalendertagen beschränkt. Zwar kann der Geschädigte in diesem Falle für die Wiederbeschaffung selbst keinen längeren Zeitraum als gutachterlich ausgewiesen in Rechnung stellen. Weil der Anspruch aber kein fiktiver ist, sondern dem Ausgleich eines tatsächlich entstandenen fühlbaren Nutzungsausfalls dient (BGH v. 10.06.2008 – VI ZR 248/07, juris Rdn. 7), ist es dem Geschädigten – im Rahmen der Erforderlichkeit einerseits und der Verhältnismäßigkeit andererseits (BGH v. 18.12.2007 – VI ZR 62/07, juris Rdn. 6) – auch bei fiktiver Abrechnung des Sachschadens unbenommen, dem Schädiger daneben alle Zeiträume in Rechnung zu stellen, die der eigentlichen Wiederbeschaffung bzw. Reparatur vorausgehen und binnen derer er unfallbedingt auf sein Fahrzeug verzichten musste.
Regelmäßig ist ihm daher neben der kalkulierten Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungsdauer eine Nutzungsausfallsentschädigung auch für den Zeitraum zu gewähren, der bis zur Vorlage des Gutachtens vergangen ist.
Ebenso hat er danach noch Anspruch auf Ausgleich eines eingetretenen Nutzungsausfalls für die Dauer einer angemessenen Überlegungsfrist.
Allein Verzögerungen, die bei Durchführung der Reparatur auftreten, kann er nicht in Rechnung stellen, sondern muss sich insoweit an der geschätzten Reparaturdauer festhalten lassen (BGH v. 15.07.2003 – VI ZR 361/02). Gleiches gilt für die Wiederbeschaffungsdauer. Auch hier kann er dem Schädiger nicht entgegen halten, dass ein vergleichbares Fahrzeug auf dem Markt tatsächlich nicht zur Verfügung stand oder sich bei dessen Auslieferung Verzögerungen ergeben haben.
Seine finanzielle Leistungsfähigkeit ist dagegen der eigentlichen Schadensbeseitigung und damit auch dem Gegenstand der gutachterlichen Schätzung vorgelagert. Der Geschädigte kann den Reparaturauftrag erst erteilen, wenn er in der Lage ist, die Reparaturkosten zu begleichen. Ebenso kann er vernünftigerweise erst bestellen und kaufen, wenn er die Mittel dazu hat. Kann der Geschädigte also glaubhaft machen, dass er die Schadensregulierung aus finanziellen Gründen nicht betreiben konnte und aus diesem Grund auch in dieser Zeit auf ein Fahrzeug verzichten musste, so steht ihm auch für diesen Zeitraum ein Anspruch auf Nutzungsausfallsentschädigung zu. Eine unzulässige Vermischung von konkreter und fiktiver Abrechnung erfolgt hierdurch nicht, da es um unterschiedliche Zeitabschnitte geht (a.A. LG Saarbrücken, Urteil vom 15.05.2015 – 13 S 12/15, juris Rdn. 23).
Quelle → OLG Düsseldorf / Urteil 28.05.2019 / 1 U 115/18
Ebenso LG Stendal, Urteil vom 25.11.2021, 22 S 34/21