Linksabbieger und Überholer – wer haftet wie ? (Teil 1)
Heute: Eine Sonderkonstellation beim Unfall zwischen Linksabbieger und Überholer
Der Leitsatz kurz und knackig… und der spricht für sich…
Ein Linksabbieger haftet bei einer Kollision mit einem nachfolgenden Fahrzeug allein, wenn er sich zum Zeitpunkt, als er zum Linksabbiegen ansetzte, noch am rechten Fahrbahnrand befand.
Quelle: OLG Frankfurt / Main, Urteil vom 26.01.2016, AZ: 7 U 189/13
Interessant ist diese Konstellation
eben auch deshalb, weil im Regelfall eines Unfalls zwischen Linksabbieger und Überholer die Haftung verteilt wird. Die genaue Quotenbildung hängt allerdings vom Einzelfall und der Beweissituation ab. Der Linksabbieger hat das Problem, dass ihm grundsätzlich wohl vorzuwerfen ist, beim Einleiten des Abbiegevorgangs nicht der “doppelten Rückschaupflicht” nachgekommen zu sein. Ggfls. kommt dann noch hinzu, dass er nicht nachweisen kann, rechtzeitig die Geschwindigkeit reduziert und den Fahrtrichtungsanzeiger (auch hier rechtzeitig) gesetzt zu haben. Für den Überholer stellt sich häufig die Situation als “unklare Verkehrslage” dar. Dieses hängt natürlich von der Fahrweise des vorausfahrenden (späteren) Linksabbiegers ab, aber auch von den örtlichen Gegebenheiten.
In der Mehrzahl dieser Fälle
haftet der Linksabbieger überwiegend (zwischen 60 und 70 %, mitunter auch bis zu 100 % je nach Situation). Allerdings kommt es, wie immer, auf die Details und damit den Einzelfall an.
Wie gesagt, anders wäre es, wenn sich eben der Linksabbieger vor dem Abbiegen am rechten Fahrbahnrand befand. Aber auch in dieser Konstellation versuchen die Versicherer gern, den Überholer mithaften zu lassen. Das OLG Frankfurt / Main hält dies allerdings gerade für falsch.
Eine weitere Sonderkonstellation
wäre gegeben, wenn der Überholer zuvor eine Kolonne überholt hat. Hier dürfte der Überholer dann überwiegend haften. Das LG Lüneburg hatte in einem Urteil vom 07.04.2015 – 9 S 104/14 – eine Haftung des Überholers von 2/3 angenommen.
In einem anderen Fall (mit eben besonderen Umständen) entschied das OLG Frankfurt / Main in einem Urteil vom 19.03.2015 / AZ: 22 U 225/13 wie folgt:
Die Betriebsgefahr eines nach links in einen Wirtschaftsweg abbiegenden Traktors kann vollständig zurücktreten, wenn aufgrund der örtlichen Umstände (Unterführung, potentieller Gegenverkehr) nicht mit dem Überholen nachfolgender Fahrzeuge gerechnet werden muss und sich das Überholen als grob verkehrswidrig darstellt.
Hier gilt es (wie immer): genau hinschauen und im Zweifelsfall kämpfen. Jede Situation ist anders und letztlich entscheiden (mal wieder) die Details.