oder die “Geschichte” vom Auffahrunfall auf ein wegen eines Kleintieres abbremsenden Fahrzeugs.
Also … kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder… an den Wegesrand …
ein Auto kommt angefahren, der Fahrer sieht den Vogel und bremst … der Nachfolgende fährt auf …
Keine Sorge, der Vogel bleibt unversehrt (und auch die Insassen) … Stellt sich “nur” die Frage, wer haftet denn nun wie für den Schaden (und in welcher Höhe)?
Das Landgericht Duisburg kommt in einer Entscheidung dazu, dass der Auffahrende zu 70 % haftet, der Vorausfahrende indes zu 30 %. Dies ist durchaus nachvollziehbar, da der Auffahrende aufgrund des klassischen Anscheinsbeweises an sich erst einmal haftet. In der Regel trifft den Auffahrenden die volle bzw. zumindest die überwiegende Haftung.
Und so liesst sich das in den Urteilsgründen wie folgt:
Beim – hier vorliegenden – Auffahren spricht grundsätzlich der erste Anschein gegen den Auffahrenden. Dieser hat i. d. R. entweder den nötigen Sicherheitsabstand oder die der Verkehrssituation entsprechende Geschwindigkeit nicht eingehalten oder nicht die erforderliche Aufmerksamkeit walten lassen. Erschüttert wird der Anscheinsbeweis allerdings durch Abbremsen ohne zwingenden Grund.
Ein solches ist im vorliegenden Fall gegeben, da der Beklagte zu 1), wie durch die Beweisaufnahme bewiesen und in der Berufungsinstanz auch unstreitig gestellt worden ist, wegen eines Vogels gebremst hat, wobei unerheblich ist, ob dieser sich auf der Straße oder auf dem Gehweg befunden hat.
Hätte der Beklagte zu 1) nicht gebremst, wäre es, was ebenfalls unstreitig ist, nicht zu dem Auffahrunfall gekommen. Das Bremsen erfolgte aus einem nicht verkehrsimmanenten Grund und war damit nicht erforderlich (vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 27.07.2009, Az. 9 S 117/09 – Bremsen wegen einer Taube – und AG München, Urteil vom 25.02.2014, Az. 331 C 16026/13 – Bremsen wegen eines Eichhörnchens…).
Quelle: aus LG Duisburg vom 30.06.2016, 12 S 118/15
Ähnlich sieht es im übrigen aus,
wenn der Vorausfahrende eben nicht wegen eines Kleintieres bremst, sondern wegen einer sonstigen Fehleinschätzung oder Fehlreaktion. Immer wieder kommt es nämlich zu solchen Konstellationen, wenn z.B. der Vorausfahrende aufgrund von Kindern am Straßenrand erschrickt oder ein im Umgang mit Fahrzeugen mit Automatikgetriebe ungeübter Fahrer zum Schalten “kuppeln” will und stattdessen fälschlicherweise auf die Bremse tritt.
Beispiele aus der Rechtsprechung:
AG Solingen, Urteil vom 17.07.2003, 10 C 49/03 (Taube = Abbremser haftet mit 25 % mit)
LG Karlsruhe, Urteil vom 27.07.2009, 9 S 117/09 (Taube = Abbremser haftet mit 40 % mit)
AG München, Urteil vom 25.02.2014, 331 C 16026/13 (Eichhörnchen = Abbremser haftet mit 25 % mit)
OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.07.1987, 1 U 288/86 (Wildente = Abbremser haftet mit 40 % mit)
aber
AG Dortmund, Urteil vom 10.07.2018, 425 C 2383/18 (Taube = volle Haftung des Auffahrenden)
LG Itzehoe, Urteil vom. 2.9.2021 – 4 O 60/21
Drohende Kollision mit Vogel als zwingender Grund für Bremsung
Auf die Frage, ob ein Bremsen für Kleintiere im Gegensatz zu größeren Tieren überhaupt einen zwingenden Grund für eine Bremsung iSd § 4 I 2 StVO darstellt, kommt es dann nicht an, wenn es um kein auf der Fahrbahn sitzendes Tier, sondern um einen im Flug befindliche Vogel geht, der bei Kollision mit der Frontscheibe unter Umständen zu Glasbruch und damit erheblicher Sichtbehinderung führen kann. Ein solcher stellt schon allein aufgrund der Möglichkeit eines solchen Szenarios richtigerweise einen zwingenden Grund für eine Notbremsung dar.
Fazit: Der Auffahrende haftet voll.
Quelle: BeckRS 2021, 53781, beck-online
Fazit:
Für den Auffahrenden ist also mitunter doch etwas drin, auch wenn es vielleicht nur 25 oder 30 % sind.
Besonders spannend und tricky wird das aber, wenn der Auffahrende zunächst seine Kasko in Anspruch nimmt und später seinen verbleibenden Restschaden zu 30 % beim Gegner geltend macht. Das Zauberwort heisst nämlich… QUOTENVORRECHT… aber dazu dann mehr in einem nächsten Beitrag. Und versprochen, so manchen wird das Quotenvorrecht – natürlich positiv – überraschen.
Aber die vorbenannten Fälle sind klar zu trennen von folgenden Situationen:
Von weitreichender Tragweite sind nämlich die Fälle, in denen ein Fahrer das Fahrzeug wegen eines Tieres abbremst, ausweicht und z.B. in eine Leitplanke fährt, dann seinen Kaskoversicherer in Anspruch nimmt (Stichwort: Rettungskosten und Co.). Das erklären wir aber ein ander Mal.