Wer, wie wir, im Verkehrsrecht (wir denken an den Unfallschaden, die Unfallrekonstruktion, Messfehler im Bußgeldverfahren, Wahrnehmbarkeitsbetrachtungen …) intensiv tätig ist, der hat tagtäglich mit Gutachten jeglicher Art zu tun. Und da es ganz offensichtlich so wirklich ohne Gutachten oft nicht geht, wollen wir mal damit anfangen, immer wieder einen aktuellen Blick in die Rechtsprechung zu auch diesem Thema zu werfen. Na dann wollen wir mal…
AG Coburg, Urteil vom 21.08.2023, 12 C 1193/23
Gericht bestätigt auch die (ganzen) Nebenkosten bei der Sachverständigenvergütung
a) Schreib-· und Kopierkosten (hier nach BVSK-Honorarbefragung)
Selbst wenn ein Gutachten nur elektronisch erstellt und versandt sein sollte, sind die Schreibkosten erstattungsfähig. (Hierzu siehe so auch LG Coburg, Urteil vom 18.03.2022, 32 S 8/22).
b) Fotokosten (hier nach BVSK-Honorarbefragung)
Unabhängig von der Frage der unterbliebenen Verkörperung des
Gutachtens sind als Pauschalbetrag danach grundsätzlich 2,00 € pro Lichtbild ersatzfähig.
c) Porto-/Telefonkosten (hier nach BVSK-Honorarbefragung)
Die Vereinbarung einer Porto- und Telefonkostenpauschale ist üblich und auch die Höhe von 15,00 € ist nicht zu beanstanden (siehe so LG Coburg, Urteil vom 18.03.2022, 32 S 8/22).
d) Fahrtkosten
Zuerkannt wurden hier 0,85 € je Kilometer (so abgerechnet, wenn auch über der BVSK-Honorarbefragung = 0,70 € / km liegend).
(Hinweis: Die Rechtsprechung orientiert sich übrigens nicht am JVEG, sondern an der ADAC-Autotabelle.)
e) Restwertermittlung
Die Kosten für die Inanspruchnahme einer Restwertbörse sind grundsätzlich ebenfalls erstattungsfähig. Die Kosten sind nicht mit dem Grundhonorar abgedeckt, sondern zusätzliche
Leistungen (so auch LG Coburg, Urteil vom 18.03.2022, 32 S 8/22).
f) Lackschichtendickenmessung
Die abgerechneten Kosten für die Lackschichtendickenmessung in Höhe von 40,00 € sind erstattungsfähig, weil eben auch erforderlich (dienen der Überprüfung von (reparierten) Vorschäden und von daher wesentlich für die Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes).
g) EDV-Kosten WinValue
Auch die Kosten für die Nutzung eines EDV-Systems für die Ermittlung des
Wiederbeschaffungswertes (hier über WinValue erfolgt) in Höhe von 5,00 € sind zu erstatten, zumal diese Nutzung kostenpflichtig ist.
Quelle: nach BVSK-Info 2023, Nummer KW 46
AG Neu-Ulm, Urteil vom 19.09.2023, 5 C 269/23
Das Grundhonorar bemisst sich nach der Schadenhöhe und nicht nach dem Zeitaufwand, so sich der Sachverständige für die Bemessung anhand der Schadenhöhe entscheidet.
AG Ansbach, Urteil vom 15.08.2023, AZ: 3 C 316/23
Wenn der Versicherer kürzt, denn ist eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen erforderlich und vom Versicherer zu bezahlen
Aus den Gründen:
Dies gilt auch für die streitgegenständlichen Kosten des Ergänzungs-Gutachtens, nachdem die Beklagte durch Vorlage des Prüfberichts Einwendungen zur Schadenshöhe erhoben hat. Der Kläger durfte die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Schadensgutachters zur Auseinandersetzung mit den erhobenen Einwendungen als sachdienlich erachten, nachdem ihm selbst eine Beurteilung dieser Einwendungen ohne sachverständige Hilfe nicht möglich war (so auch LG Saarbrücken, NJW-RR 15,721).
OLG Hamm, Beschluss vom 11.04.2022, 7 U 33/21
Vorschäden beim Gutachter verschwiegen – das Gutachten wird unbrauchbar
Das Verschweigen von Vorschäden gegenüber dem eigenen Privatgutachter führt dann nicht zur Unbrauchbarkeit des Privatgutachtens und schließt damit einen Ersatzanspruch des Geschädigten nicht aus, wenn die von ihm verschwiegenen Vorschäden die Bestimmung des Wiederbeschaffungswerts nicht beeinflusst haben.
Quelle: zfs 2022, 623
AG München, Urteil vom 30.09.2021 – 335 C 24046/20
Erstattungsfähigkeit von Kfz-Sachverständigenkosten nach Verkehrsunfall – Abrechnung über den üblichen Sätzen
1. Den mit der Erstellung eines Schadengutachtens beauftragten Sachverständigen trifft gegenüber dem Geschädigten als seinem Auftraggeber die Nebenpflicht aus dem Gutachtenauftrag, spätestens in der Honorarrechnung schriftlich darauf hinzuweisen, wenn er über den üblichen Sätzen gem. § 249, § 633 Abs. 2 BGB abrechnet und deshalb für den Auftraggeber die Gefahr besteht, dass der gegnerische Haftpflichtversicherer den überschießenden Betrag nicht bezahlt (Anschluss an OLG München BeckRS 2016, 4574 Rn. 18).
2. Falls der Geschädigte vom Sachverständigen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt wurde, bekommt der Geschädigte – nicht aber der klagende Sachverständige (§ 242 BGB) – in Fällen subjektiver Schadensbetrachtung bis zur Grenze der Evidenz die volle Kostenrechnung des Sachverständigen erstattet, ist aber verpflichtet, seine Rückforderungsansprüche gegenüber dem Sachverständigen an den Versicherer/den Schädiger abzutreten (Anschluss an OLG München BeckRS 2016, 4574 Rn. 19).
LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015, 323 S 7/14
Der Geschädigte kann Ersatz der Kfz-Sachverständigenkosten in voller Höhe verlangen, es sei denn, ihm musste sich bei der Beauftragung des Sachverständigen aufdrängen, dass Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinanderstehen, weil das Entgelt «deutlich erkennbar» beziehungsweise «erkennbar erheblich» über den üblichen Preisen liegt. Das Landgericht Hamburg ist der Meinung, dass die Frage, ob eine solche Überhöhung vorliegt, anhand des Gesamtrechnungsbetrages und nicht anhand der einzelnen Position zu beurteilen ist.
AG Bonn, Urteil vom 17.06.2015, 110 C 194/15
Die übliche Vergütung eines Kfz-Sachverständigen nach § 632 Abs. 2 BGB ist anhand des HB-V-Korridors der BVSK-Befragung zu ermitteln. Wird die Bandbreite dieses Korridors überschritten, ist das marktübliche Honorar innerhalb dieser Bandbreite durch arithmetisches Mittel festzulegen.
AG Wismar, Urteil vom 17.02.2018, 2 C 190/17
Bei der Beauftragung eines Sachverständigen zur Schadensfeststellung handelt es sich im Sinne von § 249 BGB um Schadensbeseitigungskosten. Diese sind zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und dann zu ersetzen, wenn ein verständiger, wirtschaftlich denkender Geschädigter diese Kosten für zweckmäßig und erforderlich halten durfte. Eine Verpflichtung des Geschädigten, vor der Beauftragung des Sachverständigen eine Kostenrecherche durchzuführen, besteht nicht. Wie auch das Werkstattrisiko trägt der Schädiger das Honorarrisiko der Sachverständigen, wenn der Geschädigte nach seinen Erkenntnismöglichkeiten davon ausgehen konnte, dass die Sachverständigenkosten die üblichen Preise nicht übersteigen.
BGH, Urteil vom 28.02.2017, VI ZR 76/16
Der verständige Geschädigte, der keine Honorarvereinbarung trifft und den Schadensersatzanspruch bei Erteilung des Gutachtenauftrages abtritt, wird im Regelfall davon ausgehen, dass dem Sachverständigen die übliche Vergütung zusteht.
(sonstige) Grundsatz-Urteile zur Höhe der Sachverständigenkosten:
BGH, Urteil vom 26. April 2016, AZ. VI ZR 50/15
OLG Bamberg, Urteil vom 23.02.2017, 1 U 63/16 (gegen die HUK-COBURG)
BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15
BGH, Urteil vom 11.02.2014 – VI ZR 225/13