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Ob nun im Ausland verunfallt oder im Inland mit einem ausländischen Unfallgegner kollidiert, immer wieder gibt es spannende Fragen der Rechtsanwendung, aber auch der Regulierung, zu denen wir hier gern mit aktueller Rechtsprechung ein bisschen Input geben wollen.
Im Grundsatz entscheidet das Recht des Unfallortes und damit ist dann, wenn sich der Unfall im Ausland ereignet, vieles anders als bei einem Unfall in Deutschland. Kommt es bei uns in Deutschland zu einem Unfall mit einem ausländischen Unfallbeteiligten, bleibt es beim deutschen Recht ohne Einschränkungen. Verunfallt man aber im Ausland, dann wird es tricky und spannend, denn neben der Anwendung der ausländischen Verkehrsregeln und der Rechtslage spielt eine erhebliche Rolle, wie ein Schaden überhaupt abgewickelt werden kann und welche Ansprüche es überhaupt gibt. Beim Sachschaden muss man damit leben, dass gerade “Dinge”, wie die Wertminderung, der Ausfallschaden (Nutzungsausfall / Mietwagen), die Gutachterkosten, die Anwaltskosten entweder “anders” oder auch gar nicht reguliert werden. Das ist aber von Land zu Land höchst unterschiedlich. Und bei einem Personenschaden begegnet man im Ausland auch vollkommen anderen Systemen…
Und in der Regel muss man leider für eine solche, oft auch sperrige, Regulierung “Zeit mitbringen”, aber wir helfen Euch auch hierbei gern.
Aber nun … Let´s go … und für alles Weitere stehen wir gern persönlich zur Verfügung!
OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.8.2021, 1 U 108/20
Auslandsunfall / hier: Polen / Fiktive Abrechnung / Anwaltskosten nach deutschem Recht / Abschleppen nach Deutschland – eine Frage von Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit
1. Abschleppkosten
Ereignet sich der Verkehrsunfall in Polen, kann der Geschädigte Ersatz der Kosten des Transportes seines beschädigten Fahrzeuges zu seinem Wohnsitz in Deutschland verlangen, wenn diese nicht außer Verhältnis zu dem Wert des Fahrzeuges stehen.
Außerdem hat das OLG Düsseldorf ausgeführt:
Dem Kläger ist nicht zuzumuten, sich von Deutschland aus um eine Reparatur oder einen Verkauf des Fahrzeugs in Polen zu kümmern, weil dies mit einem erheblich erhöhten Aufwand verbunden wäre
Vorliegend ging es um Abschleppkosten von ca. 1.500 EUR bei veranschlagten Reparaturkosten von ca, 11.000 EUR.
2. Anwaltskosten
Der Geschädigte kann die Kosten eines in Deutschland beauftragten Rechtsanwalts nach dem RVG abrechnen; auf die Vergütung, die einem Rechtanwalt in Polen zu zahlen gewesen wäre, kommt es dann nicht an.
Die Erforderlichkeit anwaltlicher Unterstützung (dazu Rechtsgutachten, Bl. 19 ff.) ergibt sich hier aus dem Umstand, dass sich die Beurteilung der Ansprüche aus dem Unfallereignis nach polnischem Recht richtet, sodass der Kläger ohne Beauftragung eines Rechtsanwalts trotz der dem Grunde nach unstreitigen Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen nicht in der Lage gewesen wäre, den genauen Umfang seiner – durch die Beklage zum überwiegenden Teil bestrittenen – Ersatzansprüche zu ermitteln und gegenüber der Beklagten geltend zu machen.
Dass der Kläger die Rechtsanwaltskosten nach deutschem Recht auf der Grundlage des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes bemisst, ist nach polnischem Recht nicht zu beanstanden (Rechtsgutachten, Bl. 22 f.). Der Kläger hat sich in seinem Heimatland Deutschland um Rechtsrat bemühen müssen, sodass es auf die Vergütung, die einem polnischen Rechtsanwalt zu zahlen wäre, nicht ankommen kann.
LG Karlsruhe, Urteil vom 03.09.2020 – 5 O 143/18
Auslandsunfall / hier: Frankreich / Gerichtsstand / Rechtsanwendung
Ereignet sich ein Verkehrsunfall in Frankreich, ist für die Direktklage des Deutschland wohnhaften Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers ein Gerichtsstand am Wohnort des Geschädigten begründet.
Die Schadensregulierung richtet sich nach französischem Recht, da grundsätzlich auf den Unfallort als dem Ort des schadensbegründenden Ereignisses abzustellen ist.
Quelle: C.H. Beck Verlag / BeckRS 2020, 28265 (beck-online)
AG Schweinfurt, Urteil vom 07.06.2021 – 3 C 1314/19
Anwendbarkeit englischen Rechts und Klage in Deutschland bei Spurwechselunfall im Kreisverkehr unter Beteiligung deutschen Verkehrsteilnehmers
1. Ein Geschädigter kann bei einem Verkehrsunfall im Ausland an seinem Wohnsitzgericht eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer der Gegenseite erheben, wenn der Versicherer im Hoheitsgebiet eines europäischen Mitgliedstaates ansässig ist, da eine Direktklage gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG im deutschen Recht zulässig ist.
2. Kommt es in Großbritannien in einem Kreisverkehr zu einem Unfall bei einem Spurwechsel, an dem auch ein deutscher Fahrzeugführer beteiligt ist, ist nach Art. 4 Rom II-VO auf das außergerichtliche Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind (Tatortregel).
3. Achtet ein Fahrzeugführer in einem englischen Kreisverkehr nicht auf falsch fahrenden Verkehr und hält er keinen genügenden Abstand, haftet er bei einem Unfall beim Spurwechsel zu 50 %, wenn der Unfallgegner im Kreisverkehr die falsche Spur befährt.
4. Reparatur- und Vorhaltekosten sind erstattungsfähig, nicht jedoch eine allgemeine Auslagenpauschale.
Quelle: DAR 2021, 576 (Beck-Verlag)
OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.11.2007 – I-1 U 64/07
Ersatzfähigkeit der im Inland geltenden Stundensätze für einen ausländischen Pkw?
Aus den Gründen:
Unter diesen besonderen Umständen des Streitfalls kann der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf die Stundensätze einer polnischen Werkstatt verwiesen werden. Er ist einem deutschen Geschädigten gleichzustellen. Dieser darf der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, wenn er Reparaturkosten auf Gutachtenbasis, also fiktiv, abrechnet (BGH NJW 2003, 2086). Mit dieser grenzüberschreitenden Gleichbehandlung verstößt der Senat weder gegen das – bei der fiktiven Abrechnung besonders zu beachtende – Wirtschaftlichkeitsgebot des § 249 Abs. 2 BGB noch gegen die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze zur Schadensminderungspflicht in Reparaturfällen.
Auch der Gedanke der subjektiven Schadensbetrachtung, auf den die Beklagte sich besonders in ihrer Berufungserwiderung beruft, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Richtig ist zwar, dass bei der Prüfung, ob sich der Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen hält, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen ist (BGH a.a.O.). So muss sich ein Geschädigter, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, auf diese verweisen lassen.
…
c) Die deutlich billigere und fachlich gleichwertige Alternativwerkstatt muss außerdem für den Geschädigten mühelos ohne weiteres zugänglich sein, um ihn darauf verweisen zu können. Auch wenn das Amtsgericht diesen Gesichtspunkt nicht ausdrücklich geprüft hat, versteht der Senat das angefochtene Urteil dahin, dass von einer mühelosen Zugänglichkeit ausgegangen wird. Das Amtsgericht weist nämlich darauf hin, dass es in Polen Fachwerkstätten für Fahrzeuge des Herstellers Mitsubishi gäbe und dass das Unfallfahrzeug, ein Mitsubishi Lancer, ohne weiteres in eine solche Werkstatt hätte gebracht werden können.
Diese Erwägungen mögen berechtigt sein, wenn ein polnischer Staatsbürger auf der Heimreise nach Polen oder unmittelbar vor der geplanten Rückkehr in sein Heimatland in Deutschland einen Unfall erleidet und sein Fahrzeug dabei nur so gering beschädigt wird, dass es fahr- und verkehrssicher bleibt. Wer als Ausländer sein Fahrzeug nach einem Unfall in Deutschland unrepariert in sein Heimatland zurückbringt, sei es auf eigener, sei es auf fremder Achse, kann sich unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gefallen lassen müssen, dass bei einer Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten auf die günstigeren Preise seines Heimatlandes abgestellt wird (vgl. LG Köln VersR 2005, 1577 – Rumänien). Das muss der Senat nicht entscheiden. Im Streitfall liegen die Dinge anders.
Er ist auch anders gelagert als derjenige Sachverhalt, der der Entscheidung des Amtsgerichts Berlin Mitte zu dem Aktenzeichen 104 C 3009/03 zugrunde liegt. Geschädigter war seinerzeit ein litauischer Staatsbürger. Ob und ggfs. in welchem zeitlichen Umfang und in welcher Häufigkeit er sich in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat, hatte in Ermangelung eines entsprechenden Tatsachenvortrags nicht geklärt werden können. Sollte es sich nur um kurzzeitige, besuchsweise Aufenthalte gehandelt haben, so würde das nach Meinung des AG Berlin Mitte an dem Grundsatz nichts ändern, dass ein Ausländer nach einem Unfall in Deutschland sein noch fahrfähig und verkehrssicheres Fahrzeug in seinem Heimatland reparieren lässt. Auf diese Entscheidung kann die Beklagte sich schon aus tatsächlichen Gründen nicht mit Erfolg stützen. Ob ihr in der Sache zu folgen ist, kann dahingestellt bleiben.
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BGH, Urteil vom 23.10.2012 – VI ZR 260/11
Unfall in der Schweiz und Wohnortgericht – Luganer Abkommen
Nach den Art. 9 und 11 LugÜ 2007 kann der Geschädigte einen nach dem anwendbaren nationalen Recht bestehenden Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer mit Sitz in einem ausländischen Staat im Geltungsbereich des LugÜ 2007 beim Gericht seines Wohnsitzes geltend machen.