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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.7.2024 – 12 Sa 1266/23
Im Rechtsstreit über die Rückforderung vom Arbeitgeber gezahlter Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall konkretisieren sich die Darlegungslasten zur Leistungskondiktion wie folgt:
Eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss der Arbeitgeber durch von ihm darzulegende und ggf. zu beweisende Umstände in ihrem Beweiswert erschüttern.
Ansonsten widerlegt sie das behauptete Fehlen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit.
Außerdem muss der Arbeitgeber konkreten Vortrag des Arbeitnehmers zu den Umständen der Erkrankung und einer daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit ggf. durch erfolgreiche Beweisführung widerlegen.
5. Erklärt sich der Arbeitnehmer nicht zu den konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit, so gilt die Behauptung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer sei nicht infolge Krankheit arbeitsunfähig gewesen, und damit die Rechtsgrundlosigkeit der Entgeltfortzahlung als zugestanden.
LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.05.2024, 14 SLa 81/24
Annahmeverzugslohn – Zumutbare Arbeit – Schadensersatz bei unterbliebener Zielvorgabe
Eine Arbeit ist nicht zumutbar iSv. § 11 Nr. 2 KSchG, wenn der Nettoverdienst nur geringfügig höher als das Arbeitslosengeld I ist, Kosten für die Arbeitswege mit dem Pkw anfallen, zu befürchten ist, dass der gekündigte Arbeitnehmer seine Expertise bei der anderen Tätigkeit verliert, sowie Probleme bei der Kinderbetreuung bestehen. 2. Bei einer in der Zielperiode pflichtwidrig und schuldhaft unterbliebenen Zielvorgabe ist der Arbeitgeber in gleicher Weise wie bei einer pflichtwidrig und schuldhaft nicht abgeschlossenen Zielvereinbarung zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet, allerdings ohne dass ein Mitverschulden des Arbeitnehmers in Betracht kommt.
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OLG Hamburg, Beschluss vom 08.02.2024 – 7 W 11/24
Bewertung von Arbeitgebern – Bewertungsportal muss Klarnamen benennen
Auch für die Zulässigkeit von Bewertungen in einem Arbeitgeber-Bewertungsportal kommen die vom Bundesgerichtshof für die Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals entwickelten Grundsätze (BGH, Urt. v. 9. August 2022, Az. VI ZR 1244/20, NJW 2022, S. 3072 ff.) vollen Umfangs zum Tragen.
Die Erhebung einer Vielzahl von Rügen eines Bewerteten gegen Bewertungen in einem Bewertungsportal, die jeweils darauf gestützt werden, dass ein geschäftlicher Kontakt zwischen dem Bewerter und dem Bewerteten nicht bestanden hat, begründet allein nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. Das gilt auch dann, wenn der Bewertete sich dabei von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten lässt, die offensiv damit wirbt, gegen Zahlung pauschalierter Festhonorare gegen Einträge in Bewertungsportalen vorzugehen.
Der Bewertete kann die Löschung der Bewertung verlangen, wenn der Portalbetreiber den Bewerter ihm gegenüber nicht so individualisiert, dass er das Vorliegen eines geschäftlichen Kontaktes überprüfen kann. Das gilt auch dann, wenn der Portalbetreiber einwendet, aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen diese Individualisierung nicht vornehmen zu dürfen.
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ArbG Heilbronn, Urteil vom 18.01.2024, 8 Ca 191/23
Entschädigung wegen Altersdiskriminierung bei Einstellung – Digital Native
Die Formulierung in einer Stellenanzeige
“als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbilds …. zu Hause”
stellt ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters dar.
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Arbeitsgericht Gera, Urteil vom 20.12. 2023 – 4 Ca 495/23
Außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung eines Chefarztes – allgemeiner Weiterbeschäftigungsantrag
Ein Chefarzt, der in einem von zwei Kreiskrankenhäusern für die medizinische Versorgung verantwortlich ist, und der die unternehmensrechtliche Entscheidung “torpediert”, diese zwei Kreiskrankenhäuser zu verschmelzen, verletzt hierdurch nicht seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Er verstößt auch nicht gegen seine Loyalitätspflichten.
Hinweis (Stand 31.05.2024): Berufung anhängig beim Thüringischen Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 3 Sa 20/24.
BAG, Urteil vom 05.12.2023, 9 AZR 230/22
Urlaubsabgeltung – Doppelarbeitsverhältnis – Anrechnung von Urlaub
Neuer Job nach rechtswidriger Kündigung – dann kein doppelter Urlaubsanspruch
1. Geht ein Arbeitnehmer nach einer rechtswidrigen Kündigung einer anderen Beschäftigung nach, entstehen für den Zeitraum der zeitlichen Überschneidung beider Arbeitsverhältnisse auch dann ungeminderte Urlaubsansprüche sowohl gegenüber dem alten als auch gegenüber dem neuen Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer die Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht hätte kumulativ erfüllen können.
2. In einem solchen Fall ist jedoch zur Vermeidung doppelter Urlaubsansprüche der Urlaub, den der Arbeitnehmer vom neuen Arbeitgeber erhalten hat, in entsprechender Anwendung von § 11 Nr. 1 KSchG und § 615 Satz 2 BGB auf den Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch gegen seinen alten Arbeitgeber anzurechnen. Die Anrechnung ist kalenderjahresbezogen vorzunehmen.
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BAG, Beschluss vom 17.10.2023, 1 ABR 24/22)
Verbot der Handynutzung durch den Arbeitsgeber ohne Beteiligung des Betriebsrates?
Dem Betriebsrat steht kein Mitbestimmungsrecht zu, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern die private Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit untersagt, um eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung sicherzustellen.
LAG Baden-Württ., Urteil vom 11.10.2023 – 10 Sa 23/23
Urlaub – Verfall – Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers – Betriebsferien
1. Ist der Arbeitnehmer infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit daran gehindert, seinen Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres zu nehmen, kann der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub – bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit – unter besonderen Umständen mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres untergehen. Erkrankt der Arbeitnehmer erst im Verlaufe des Urlaubsjahres, erlischt der Anspruch grundsätzlich aber nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auszuüben (im Anschluss an BAG 31. Januar 2023 – 9 AZR 107/20 – Rn. 13 und 15).
2. Die Mitwirkungsobliegenheiten eines Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub umfassen auch den Hinweis auf vom Arbeitgeber geplante Betriebsferien.
3. Weist ein Arbeitgeber nicht rechtzeitig vor dem Beginn der Erkrankung eines Arbeitnehmers auf geplante Betriebsferien hin, reduziert sich der Urlaubsanspruch – und ihm folgend der Urlaubsabgeltungsanspruch – grundsätzlich nicht um die Tage der Betriebsferien.
LAG Berlin-Brandenburg vom 15.09.23, 12 Sa 1160/22
Regelung eines Sozialplanes, die vom ArbG veranlasste Eigenkündiger vom Nachteilsausgleich ausschließt, ist unwirksam
1. Die Reglung in einem Sozialplan, die alle Beschäftigte mit besonderem
Kündigungsschutz bei arbeitgeberseitig veranlasster Eigenkündigung von der Einbeziehung in einen Nachteilsausgleich ausschließt, verstößt gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
2. Im Sozialplan vorgesehene persönliche Ausnahmen von einer Stichtagsregelung, wonach danach ausgesprochene Eigenkündigung als arbeitgeberseitig veranlasst gelten und einen Abfindungsanspruch auslösen, bedürfen eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes, damit sie dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz genügen. Das Innehaben besonderen Kündigungsschutzes stellt einen solchen Grund nicht dar, wenn er die Gefahr einer Kündigung wegen der Betriebsänderung oder die Gefahr eines Nachteils daraus nicht beseitigt.
LAG Meckl.-Vorp., Urteil vom 13.06.2023, 2 Sa 109/22
Kündigung – Minderleistung – Auflösungsantrag des Arbeitgebers – Darlegungslast
1. Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leistungspflicht ist nicht starr, sondern dynamisch und orientiert sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen. Der Arbeitsvertrag kennt als Dienstvertrag keine “Erfolgshaftung” des Arbeitnehmers. Der Dienstverpflichtete schuldet das “Wirken”, nicht das “Werk” (BAG, Urteil vom 17.01.2008 – 2 AZR 536/06 – Rn. 15, juris).
2. Hat der Arbeitgeber vorgetragen, dass die Leistungen des Arbeitnehmers über einen längeren Zeitraum den Durchschnitt unterschritten haben, ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, gegebenenfalls das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen zu bestreiten und/oder darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft.
3. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der Konzeption des Gesetzes nur ausnahmsweise in Betracht. An den Auflösungsgrund des Arbeitgebers sind strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG, Beschluss vom 22.10.2004 – 1 BvR 1944/01 – Rn 26, juris). Vorausgesetzt wird die Prognose einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses, deren Beseitigung nach Aufwendung aller zumutbaren Anstrengungen unmöglich erscheint.
4. Nach dem Verhandlungsgrundsatz darf das Gericht seiner Entscheidung nur solche Auflösungstatsachen zu Grunde legen, die der darlegungspflichtige Arbeitgeber vorgebracht hat. Selbst offenkundige Tatsachen darf das Gericht nicht verwerten, wenn sich der Arbeitgeber nicht auf sie zur Begründung seines Auflösungsantrages beruft.
5. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag. Wegen des zeitlichen Beurteilungsansatzes ist es denkbar, dass mögliche Auflösungsgründe aufgrund Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände eine andere Bewertung erfordern.
6. Stützt der Arbeitgeber den Auflösungsantrag z.B. auf den Druck von Arbeitnehmern, das Unternehmen zu verlassen, wenn der zuvor rechtsunwirksam gekündigte Mitarbeiter seine Tätigkeit fortsetze, ist zu beachten, dass nicht anders als bei der sogenannten Druckkündigung, der Arbeitgeber verpflichtet ist, sich schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Insbesondere kann er sich nicht auf eine Drucksituation berufen, die er selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat, etwa, wenn er für die ablehnende Haltung der Belegschaft gegenüber dem Arbeitnehmer selbst den Anlass gegeben hat (BAG, Urteil vom 18.07.2013 – 6 AZR 420/12 – Rn. 39, juris).
LArbG Nürnberg, Urteil vom 06.06.2023 – 7 Sa 275/22
Vergütung für erforderliche Zeiten des Umkleidens und des Waschens / Fremdnützigkeit (“Erforderlichkeit”) von Waschen und CO.
1. § 8 MTV für die Arbeitnehmer des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern regelt die Vergütung für erforderliche Zeiten des Umkleidens und des Waschens nicht.
2. Steht fest, dass Umkleidezeit vor und nach der Arbeit und Körperreinigungszeit nach der Arbeit erforderlich sind, kann das Gericht die dafür notwendige Zeit schätzen bei Vorliegen entsprechender Anknüpfungstatsachen für eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO.
Die für das Umkleiden vor und nach der Arbeit, für die Reinigung nach der Arbeit und für die Wege von der Umkleide an den Arbeitsplatz und vom Arbeitsplatz zur Umkleide erforderlichen Zeiten sind gem. § 611a Abs. 2 BGB gesondert zu vergüten.
Stellt sich aber noch die Frage, wann denn Waschen und ggfls. Duschen nach der Arbeit erforderlich!?
Ob Körperreinigungszeiten auch als Arbeitszeit in diesem Sinne anzusehen sind, ist höchstrichterlich bisher noch nicht geklärt. Im Sinne der Rechtsprechung des BAG zu den Umkleidezeiten kommt es darauf an, ob die Zeit zum – gegebenenfalls auch nur teilweisen – Reinigen des Körpers überwiegend oder ausschließlich fremdnützig ist und nicht nur dazu dient, dass der Arbeitnehmer sauber nach Hause kommt. Die Fremdnützigkeit ist zu verneinen, wenn es um Körperreinigungszeit geht, die üblicherweise im Privatleben dazu dient, die übliche Entwicklung von Verunreinigung, Schweiß und Körpergeruch im Laufe eines Tages zu beseitigen. Sie ist dagegen zu bejahen, wenn es um Körperreinigungszeit geht, die aufgewendet werden muss, weil die Verunreinigung des Körpers deutlich über das Maß hinausgeht, das üblicherweise im Privatleben anfällt. Es kommt hier nicht darauf an, wie die Berufung meint, dass die Verschmutzung des Körpers es unzumutbar macht, den Betrieb ohne Duschen zu verlassen.
LAG MV, Urteil vom 09.05.2023, 2 Sa 146/22
Abfindungszahlung – “Turboklausel” – Schriftform – Kündigung per beA nicht zugelassen
1. Die Einräumung des Rechtes für eine Partei eines Arbeitsvertrages mit einer bestimmten Ankündigungsfrist vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu können, stellt ein § 12 Satz 1 KSchG vergleichbares Sonderkündigungsrecht dar, welches in einem Abwicklungsvertrag eingeräumt werden kann, dessen Ausübung jedoch dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB unterfällt.
2. § 623 BGB erfasst jedes Arbeitsverhältnis. Der Gesetzgeber hat das Schriftformerfordernis als konstitutiv angesehen. Es handelt sich deshalb um zwingendes Recht, welches weder durch vertragliche noch durch tarifvertragliche Regelungen abbedungen werden kann (BAG, Urteil vom 17.12.2015 – 6 AZR 709/14 – Rn. 35, juris).
3. Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen (§ 126a BGB). Eine solche Ersetzung ist jedoch nur möglich, wenn die elektronische Form nicht durch Gesetz ausgeschlossen ist.
4. Für Kündigungen ist gemäß § 623 2. Halbsatz BGB der Ausschluss der elektronischen Form normiert. Damit hat der Gesetzgeber eindeutig zu verstehen gegeben, dass das Schriftformerfordernis konstitutiv ist, die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch elektronische Form nicht in Betracht kommt.
5. Die Formvorschriften des Bürgerlichen Rechts sind von denen des Prozessrechts strikt zu unterscheiden. Sie können wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts weder unmittelbar noch entsprechend auf Prozesshandlungen angewendet werden. Die Möglichkeit der Nutzung der qualifizierten elektronischen Signatur und Übermittlung durch das besondere Anwaltspostfach dient der Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren, verfolgt damit eine andere Ziel- und Zweckrichtung als die Formvorschriften des BGB. Es bedarf keiner Übertragung des für das Prozessrecht vorgesehenen Beschleunigungs- und Vereinfachungseffekts auf den Ausspruch von Kündigungen für Arbeitsverhältnisse.
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BAG, Urteil vom 16.02.2023, 8 AZR 450/21
Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts
1. Eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts wird nach § 22 AGG vermutet, wenn eine Partei darlegt und beweist, dass ihr Arbeitgeber ihr ein niedrigeres Entgelt zahlt als ihren zum Vergleich herangezogenen Kollegen/Kolleginnen des anderen Geschlechts und dass sie die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichtet.
2. Der Umstand, dass sich die Parteien eines Arbeitsvertrags im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit auf ein höheres Entgelt verständigen als der Arbeitgeber mit einer Arbeitskraft des anderen Geschlechts mit gleicher oder gleichwertiger Arbeit vereinbart, ist für sich allein betrachtet nicht geeignet, die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung nach § 22 AGG zu widerlegen.
LAG Meck-Pomm, Urteil vom 10.01.2023, 2 Sa 233/21
Außerordentliche Kündigung – Abmahnungserfordernis – Spesenbetrug – Nachschieben von Kündigungsgründen – Erklärungsfrist
Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen regelmäßig eine Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose (BAG, Urteil vom 24.03.2011 – 2 AZR 282/10 – Rn. 14, juris).
Der gekündigte Arbeitnehmer kann nach Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht damit rechnen, dass der Arbeitgeber im Prozess nicht noch andere, bislang unentdeckte Gründe zur Rechtfertigung seiner Kündigung heranziehen wird. Er muss vielmehr davon ausgehen, dass der Arbeitgeber je nach Prozesslage weitere Tatsachen vortragen wird, um in jedem Fall ein obsiegendes Urteil zu erstreiten (BAG, Urteil vom 04.06.1997 – 2 AZR 362/96 – Rn. 21 ff, juris; BAG; Urteil vom 23.05.2013 – 2 AZR 102/12 – Rn. 33, juris; BAG, Beschluss vom 12.01.2021 – 2 AZN 724/20 – Rn. 3, juris).
Die Ausschlussfrist bezieht sich nach dem eindeutigen Wortlaut des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB allein auf die Ausübung des Kündigungsrechts, nicht auf die zu Grunde liegenden Kündigungsgründe. Ist also bereits eine Kündigung ausgesprochen, so schränkt § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB unmittelbar ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener und zeitlich vor Ausspruch der Kündigung liegender Gründe nicht ein.
Wenn eine Abwicklungsvereinbarung mit der Begründung eines eigenständigen Abfindungsanspruchs zu Stande gekommen ist, steht eine solche regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Auflösungstermin fortgesetzt wird. Löst später eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis vor dem vorgesehenen Auflösungszeitpunkt auf, wird der Aufhebungsvertrag einschließlich einer darin vereinbarten Abfindungszahlung gegenstandslos (BAG, Urteil vom 11.07.2012 – 2 AZR 42/11 – Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 10.11.2011 – 6 AZR 342/10 – Rn. 21, juris; BAG, Urteil vom 05.04.2001 – 2 AZR 217/00 – Rn. 20, juris; BAG, Urteil vom 29.01.1997 – 2 AZR 292/96 – Rn. 43, juris).
BAG, Urteil vom 23.08.2022, 5 AZR 349/22
Direktionsrecht des Arbeitgebers – Annahmeverzugsvergütung – Schadensersatz wegen verspäteter Mitteilung des Dienstes – Entfernung einer Abmahnung
Ist dem Arbeitnehmer auf der Grundlage der betrieblichen Regelungen bekannt, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung für den darauffolgenden Tag in Bezug auf Uhrzeit und Ort konkretisieren wird, ist er verpflichtet, eine solche, per SMS mitgeteilte Weisung auch in seiner Freizeit zur Kenntnis zu nehmen.
LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.2022, 6 Sa 54/22
Der Arbeitgeber ist aus dem Gesichtspunkt der nachwirkenden Fürsorgepflicht gehalten, über die Erteilung eines Zeugnisses hinaus im Interesse des ausgeschiedenen Arbeitnehmers Auskünfte über diesen an solche Personen zu erteilen, mit denen der Arbeitnehmer in Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeitsvertrages steht;
solche Auskünfte darf der Arbeitgeber auch gegen den Willen des Arbeitnehmers erteilen;
er kann grundsätzlich nicht gehindert werden, andere Arbeitgeber bei der Wahrung ihrer Belange zu unterstützen.
Die Auskünfte, zu denen der Arbeitgeber berechtigt ist, betreffen nur Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses.
LAG Schleswig-Holst., Urteil vom 03.05.2022, 2 Sa 280/21
Unangemessene Ausbildungsvergütung – stillschweigender Änderung der Ausbildungsvergütung
Leitsatz
Keine wirksame Abänderung der Ausbildungsvergütung durch stillschweigende Änderung der Ausbildungsvergütung.
Orientierungssätze
1. Unterschreitet die vereinbarte Ausbildungsvergütung die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20%, ist sie in der Regel nicht angemessen im Sinne des § 17 Abs 1 S 1 BBiG 2005.
2. Wird bereits für eine ergänzende Nebenabrede eine schriftliche Niederlegung verlangt, so gilt dies erst Recht für eine abändernde Hauptabrede betreffend die Höhe der zu zahlenden Ausbildungsvergütung, weil erst mit der schriftlichen Fixierung der Hauptabrede festgelegt ist, welche Ausbildungsvergütung verlangt werden kann.
ArbG Weiden, Urteil vom 09.01.2019 – 3 Ca 615/18
Anspruch auf ein ungelochtes Arbeitszeugnis
1. Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein ungelochtes Arbeitszeugnis, wenn sein Arbeitgeber ungelochtes Geschäftspapier besitzt und benutzt oder die Verwendung ungelochten Papiers für die Zeugniserstellung in der betreffenden Branche Standard ist (beides hier verneint).
2. Eine Lochung stellt kein unzulässiges Geheimzeichen i.S.d. § 109 II 2 GewO dar.
LAG Köln, Urteil vom 19.04.2018, 7 Sa 625/17
In der Abmahnung muss die Pflichtverletzung konkret und bestimmt dargestellt werden
Wegen der sich regelmäßig auf mehrere Jahre erstreckenden Relevanz einer zur Personalakte genommenen Abmahnung müssen der Anlass und die Eigenart der beanstandeten Pflichtverletzung in tatsächlicher Hinsicht hinreichend konkret und bestimmt dargestellt werden, um über Jahre hinweg rekonstruierbar zu bleiben.
LAG MV, Urteil vom 21.10.2009, 2 Sa 237/09
2mal das LAG MV – Arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsklauseln, über das Gehalt zu reden, sind unwirksam
Eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, über seine Arbeitsvergütung auch gegenüber Arbeitskollegen Verschwiegenheit zu bewahren, ist unwirksam, da sie den Arbeitnehmer daran hindert, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Lohngestaltung gegenüber dem Arbeitgeber erfolgreich geltend zu machen. Darüber hinaus verstößt sie gegen Art. 9 Abs. 3 GG.
Quelle: IWW vom 03.11.2010 · IWW-Abrufnummer 103542
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