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LAG MV, Urteil vom 04.05.2021 – 5 Sa 343/20
Betriebsbedingte Kündigung – ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht – Darlegungslast bei Arbeitszeitkonto
An einem endgültigen Entschluss zur (Teil-)Betriebsstilllegung fehlt es, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in ernsthaften Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebs oder von Teilen des Betriebs steht.
Wird die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (elektronisch) erfasst und zeichnet der Arbeitgeber oder für ihn ein Vorgesetzter des Arbeitnehmers die entsprechenden Arbeitszeitnachweise ab, kann der Arbeitnehmer im Überstundenprozess der ihm obliegenden Darlegungslast für die Leistung von Überstunden schon dadurch genügen, dass er schriftsätzlich die vom Arbeitgeber abgezeichneten Arbeitsstunden und den sich ergebenden Saldo vorträgt.
Führt der Arbeitgeber für den einzelnen Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto und weist er vorbehaltlos eine bestimmte Anzahl von Guthabenstunden aus, stellt er damit den Saldo des Kontos streitlos.
Quelle → VOLLTEXT zu LAG MV / 5 Sa 343/20
LAG Hamm, Urteil vom 17.5.2021 – 18 Sa 1124/20
Aufhebungsvertrag, Drohung mit Kündigung, Drohung mit Strafanzeige, Gebot fairen Verhandelns
Der Arbeitgeber verstößt nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages,
wenn er einen Rechtsanwalt zu den Vertragsverhandlungen hinzuzieht,
einen Aufhebungsvertrag vorlegt, der nur sofort abgeschlossen werden kann
und dies mit der – im Streitfall nicht widerrechtlichen – Drohung verbindet, er werde eine fristlose Kündigung aussprechen und Strafanzeige erstatten.
Quelle → VOLLTEXT zu LAG Hamm / 18 Sa 1124/20
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.04.2021, 23 Sa 1629/20
Außerordentliche Kündigung – Entwendung und Verwertung geringwertigen und zur Entsorgung vorgesehenen Eigentums des Arbeitgebers – Personalratsanhörung
Der vom Arbeitnehmer getätigte Ausbau oder die Entnahme und der anschließende Verkauf von Hardware-Komponenten aus den vom Arbeitgeber zur Entsorgung bestimmten Geräten stellt einen Eingriff in die Eigentümerposition des Arbeitgebers und einen erheblichen Vertrauensbruch dar und ist als schwerwiegende und schuldhafte Pflichtverletzung an sich geeignet eine außerordentliche Kündigung zu begründen.
Auch unter Berücksichtigung der Geringwertigkeit solcher Hardware-Komponenten, die zur Entsorgung freigegeben sind, hat der Arbeitnehmer, um sich rechtmäßig zu verhalten, vom Arbeitgeber die Erlaubnis einzuholen, einzelne Komponenten auszubauen und für sich selbst zu verwerten.
In einem solchen Fall ist auch eine Abmahnung entbehrlich, da in einem so schwerwiegenden Fall eines Eigentumsdelikts und der damit verbundenen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses nach objektivem Maßstab und für den Arbeitnehmer erkennbar eine Hinnahme dieses Verhaltens durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist.
Quelle → VOLLTEXT LAG BB / 23 Sa 1629/20
LAG Schleswig-Holstein vom 22.06.2021, 3 Sa 37 öD/21
Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung – Benachteiligung wegen des Geschlechts – Gendersternchen
1. Die Verwendung des Gendersternchens in einer Stellenausschreibung diskriminiert mehrgeschlechtlich geborene Menschen nicht.
2. Ziel des Gendersternchens ist es, niemanden zu diskriminieren und die Vielfalt der Geschlechter deutlich zu machen.
3. Die Verwendung der Formulierung “schwerbehinderte Bewerber*innen” an Stelle der Formulierung “schwerbehinderte Menschen” stellt keine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar.
Quelle → VOLLTEXT LAG SH / 3 Sa 37 öD/21
Ausschluss der ordentlichen Kündigung – AGB-Kontrolle – Weiterbildung zum Facharzt / (zu lange) Kündigungssperrfrist
Eine Vertragsklausel, wonach das zum Zwecke der Weiterbildung abgeschlossene Arbeitsverhältnis eines in der Weiterbildung zum Facharzt befindlichen approbierten Arztes nach Ablauf der Probezeit erst nach 42 Monaten nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ordentlich gekündigt werden kann, benachteiligt den in der Weiterbildung befindlichen Arzt entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
LArbG Nürnberg, Urteil v. 21.01.2021, 4 Sa 217/20
Klageverzichtsprämie ist zweckwidrig und unwirksam
Die Verknüpfung der Zahlung eines Teils der Sozialplanabfindung mit einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage (sog. Klageverzichtsprämie) ist zweckwidrig und daher unwirksam. Dies gilt auch, wenn die Klageverzichtsprämie in einer eigenen Betriebsvereinbarung geregelt, die Prämie aber aus dem Sozialplanvolumen finanziert ist. In einem solchen Fall können Sozialplan und Betriebsvereinbarung als Einheit zu betrachten sein mit der Folge, dass nicht die Betriebsvereinbarung insgesamt unwirksam ist, sondern die Klageverzichtsprämie die im Sozialplan vorgesehene Abfindung erhöht ggf. unter Berücksichtigung etwaiger Kappungsgrenzen.
Schlagworte → Abfindung, Schadensersatz, Sozialplan, Betriebsvereinbarung, Betriebsrat, Interessenausgleich, Einigungsstelle, Sozialplanabfindung, Altersdiskriminierung
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.03.2021 – 4 Sa 1243/20
Auslegung als Kündigungsschutzklage / Änderungskündigung und vorbehaltlose Ablehnung des Änderungsangebotes
1. Lehnt der Arbeitnehmer bei einer Änderungskündigung das Änderungsangebot vorbehaltlos ab, liegt eine Beendigungskündigung vor, gegen die nur Kündigungsschutzklage mit einem § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Antrag, erhoben werden kann.
2. Ein gegen eine Beendigungskündigung gerichteter – nicht sachgerechter – Antrag, festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung nicht wirksam ist, kann grundsätzlich sachgerecht dahingehend ausgelegt werden, dass eine Kündigungsschutzklage mit einem § 4 Satz 1 KSchG entsprechenden Antrag erhoben werden sollte.
3. Eine entsprechende Auslegung ist aber dann i.d.R. nicht möglich, wenn der Kündigungsschutzantrag i.S.d. § 4 Satz 1 KSchG ausdrücklich gestellt wurde und durch das Arbeitsgericht ausdrücklich abgewiesen wurde und der Kläger die Abweisung hat rechtskräftig werden lassen. In diesem Fall würde die Auslegung de facto die aus der formellen Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Urteils folgende materielle Rechtskraft beseitigen.
4. Das Angebot eines Homeoffice-Arbeitsplatzes kann zumindest dann keine mildere Maßnahme im Rahmen einer Änderungskündigung sein, wenn es Teil der unternehmerischen Entscheidung ist, bestimmte Arbeitsplätze in der Zentrale des Arbeitgebers zu konzentrieren und für diese Arbeitsplätze keinen Homeoffice-Arbeitsplatz anzubieten.