Apothekenrecht in Leitsätzen und Anmerkungen
1.
OLG Karlsruhe Beschluß vom 1.3.2016, 11 W 5/16 (Wx)
Handelsregistereintragung: Erteilung der Prokura durch einen Apotheker
Leitsätze:
Das berufsrechtliche Gebot der persönlichen Leitung der Apotheke (§ 7 ApoG) steht der Bestellung eines Prokuristen nicht entgegen (Abweichung von OLG Celle NJW-RR 1989, 483).
Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen.
Anmerkung:
Das Verfahren ist anhängig beim Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen II ZB 8/16.
2.
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2017 – I ZR 172/16 (hier: Pressemitteilung)
Pharmazeutische Großhändler sind nicht verpflichtet, bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Apotheken einen Mindestpreis zu erheben.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat auf die Revision der Beklagten das klagabweisende Urteil erster Instanz wiederhergestellt. Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV legt für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit den dort vorgesehenen Großhandelszuschlägen eine Preisobergrenze, aber keine preisliche Untergrenze fest. Das ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift selbst (“darf … höchstens … erhoben werden”) als auch aus dem Vergleich mit dem abweichenden Wortlaut der Bestimmung zu Apothekenzuschlägen für Fertigarzneimittel in § 3 Abs. 2 Nr. 1 AMPreisV (“… ist zu erheben …”). Der Großhandel ist danach nicht verpflichtet, einen Mindestpreis zu beanspruchen, der der Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, der Umsatzsteuer und einem Festzuschlag von 70 Cent entspricht. Er kann deshalb nicht nur auf den in § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV genannten preisabhängigen, bis zur Höchstgrenze von 3,15 Prozent veränderlichen Zuschlag, höchstens jedoch 37,80 Euro, sondern auch auf den darin erwähnten Festzuschlag von 70 Cent ganz oder teilweise verzichten.
3.
OVG Saarlouis, Urteil vom 14.12.2017, 2 A 662/17
Videoüberwachung des Verkaufsraums einer Apotheke
Die Videoüberwachung des Verkaufsraums einer Apotheke kann zur Wahrnehmung des Hausrechts (§ 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG) und zur Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG erforderlich sein.
Der Grad der Anforderungen an die Bestimmtheit und Vollständigkeit der Einwilligungserklärung nach § 4a Abs. 1 BDSG ist im Einzelfall abhängig von der Sensibilität der erhobenen Daten und der Eingriffstiefe in die Rechte der Betroffenen.
4.
Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 02.07.2018, 13 A 2289/16
Unzulässige Rezeptsammlung im Supermarkt
Vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1974 – I C 24.73 -, juris, Rn. 30; Cyran/Rotta, § 24 ApBetrO, Rn. 43 f.
b) § 24 ApBetrO beansprucht für die Präsenzapotheke der Klägerin weiterhin Geltung. Hieran hat sich durch die Einführung des Versandhandels nichts geändert (aa). Abweichendes folgt nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2008 – 3 C 27.07 – (bb). Im Hinblick auf eine sichere Arzneimittelversorgung der Bevölkerung denkbare und von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Abgabemöglichkeiten von Arzneimitteln stellen die Fortgeltung des § 24 ApBetrO ebenfalls nicht in Frage (cc).
§ 24 ApBetrO, der eine abschließende Regelung zur Rezeptsammlung außerhalb der Apothekenbetriebsräume darstellt, ist geltendes Recht. In Rechtsprechung,
vgl. BVerwG, Urteile vom 25.Juli 1978 – I C 37.76 ‑, juris, Rn. 63 ff., und vom 9. Juli 1974 – 1 C 24.73 -, juris, Rn. 22 ff.; OVG NRW, Urteil vom 7. November 2006 – 13 A 1314/06 -, juris, Rn. 113 ff.,
und Literatur,
vgl. etwa Pfeil/Pieck/Blume, a.a.O., § 24 Rn. 6; Cyran/Rotta, a.a.O., § 24 Rn. 2 f.,
ist anerkannt, dass § 24 ApBetrO sich im Rahmen der Ermächtigung des § 21 Abs. 2 Nr. 9 ApoG hält und nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt, weil der damit verbundene – geringfügige – Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Apothekers gerechtfertigt ist.
Die generelle Zulassung von Rezeptsammelstellen hatte nach Auffassung des Normgebers der am 1. Januar 1969 in Kraft getretenen und erstmals bundesweite Geltung beanspruchenden Apothekenbetriebsordnung 1968 (BGBl. I 939) zu einer Gefährdung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung geführt. Diesen Gefahren beabsichtigte er – nach Ablauf der in § 14 Abs. 2 Satz 2 ApBetrO 1968 bestimmten Übergangsfrist für zuvor nach Landesrecht erlaubnisfrei betriebene Rezeptsammelstellen – durch die Einführung eines generellen Erlaubnisvorbehalts nach § 11 Abs. 1 ApBetrO 1968 zu begegnen und diese nur als Notbehelf zur Versorgung abgelegener Orte oder Ortsteile ohne Apotheke zuzulassen.
§ 24 ApBetrO bzw. § 11 ApBetrO a.F. beruhen auf den Leitvorstellungen des Apothekengesetzes, wonach der Apotheker zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung verpflichtet ist (Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke, § 7 Abs. 1 ApoG), und Arzneimittel an den Verbraucher grundsätzlich nur in den Betriebsräumen der Apotheke abgegeben werden sollen, weil es sich bei diesen um erklärungsbedürftige Waren handelt und die sichere und sachverständige Abgabe am ehesten in der Apotheke gewährleistet ist.
Vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 1964 – 1 BvL 17/61, 1 BvR 494/60, 1 BvR 128/61 -, juris, Rn. 37 ff.; BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 30.09 -, juris, Rn. 31 f.
Die Errichtung einer Rezeptsammelstelle unterbindet den unmittelbaren Kontakt des Kunden zum Apotheker, der zur Gewährleistung der Sicherheit und einwandfreien Betreuung notwendig ist, und birgt die Gefahr der Verwechslung von Rezepten und Arzneimitteln ebenso wie die Gefahr einer Verletzung des Arzt- oder Apothekergeheimnisses. Ihre Errichtung und Unterhaltung ist daher nur als Notbehelf in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Sie dürfen nicht lediglich zum Zweck der bequemeren Arzneimittelversorgung erlaubt werden.
So ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1974 – I C 24.73 -, juris, Rn. 31.
Die Erlaubnis ist zudem zu befristen, um die Neugründung von Präsenzapotheken in abgelegenen Gebieten nicht dauerhaft zu erschweren.
Der Sache nach führt die Erlaubnis nach § 24 ApBetrO zu einer Erweiterung des räumlich-gegenständlichen Geltungsbereichs der Apothekenbetriebserlaubnis (§ 2 ApoG). Sie fügt der Apothekenbetriebserlaubnis, die rechtssystematisch zu den so genannten raumgebundenen persönlichen Genehmigungen zählt,
vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Mai 2016 – 3 C 8.15 ‑, juris, Rn. 36, und vom 20. Juni 1972 – 1 C 25.71 -, juris, Rn. 17,
einen weiteren räumlich-gegenständlichen Bereich hinzu und bildet mit diesem zusammen die vom Gesetz als einheitlich gedachte Grundlage für den Betrieb der Präsenzapotheke in der genehmigten Form.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. November 2006 ‑ 13 A 1314/06 -, juris, Rn. 117 ff.
aa) An dieser für Präsenzapotheken geltenden Regelung des § 24 ApBetrO hat sich durch die Einführung des Versandhandels zum 1. Januar 2004 durch das GKV-Modernisierungsgesetz (BGBl. I 2003, 2190) nichts geändert. § 24 ApBetrO wird nicht durch § 11a ApoG verdrängt.
Der Gesetzgeber hat mit der Zulassung des Versandhandels seine Vorstellungen vom Leitbild des Apothekers in der Apotheke gelockert und eine Form der Arzneimittelabgabe zugelassen, bei der das Arzneimittel aus einer Apotheke heraus abgegeben werden muss, der Kunde allerdings nicht mehr gehalten ist, die Apotheke zu betreten.
Zugleich hat er zu erkennen gegeben, dass er den persönlichen Kontakt des Apothekers zum Kunden in den Apothekenbetriebsräumen nicht in jedem Fall für erforderlich hält, um die sachgerechte Beratung und die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten.
Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 30.09 -, juris, Rn. 22; Pfeil/Pieck/Blume, a.a.O. § 17 Rn. 20 (13. Ergänzungslieferung 2017).
Mit der Einführung gesetzlicher Vorgaben zum Versandhandel wollte der Gesetzgeber unter Wahrung eines Höchstmaßes an Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit faire Bedingungen für den Wettbewerb von Versandapotheken mit öffentlichen Apotheken schaffen und einen bereits praktizierten Versandhandel in geregelter Form als Ergänzung und als zusätzliche Versorgungsform (vgl. § 11a Satz 1 Nr. 1 ApoG) aus einer öffentlichen Apotheke heraus zulassen.
…
2.
Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass ihr das Sammeln der Verschreibungen wegen der ihr erteilten Versandhandelserlaubnis (§ 43 Abs. 1 Satz 1 AMG, § 11a ApoG) erlaubt sei. Anders als die Klägerin meint, ist § 24 ApBetrO nicht schon deshalb unanwendbar, weil sie im Besitz einer Erlaubnis zum Versand von Arzneimitteln ist. Darüber, ob ihr Vertriebskonzept tatsächlich dem Versandhandel zuzuordnen ist, mit der Folge, dass – ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – § 24 ApBetrO keine Anwendung findet, besagt die Erlaubnis nämlich nichts.
Hier stellt sich das von der Klägerin praktizierte Vertriebskonzept wegen der bei wertender Gesamtbetrachtung zu bejahenden räumlichen Bindung des Abgabevorgangs an ihre Präsenzapotheke nicht als Versandhandel, sondern als Umgehung der Vorgaben des § 24 ApBetrO dar.
Vgl. zum Erfordernis einer wertenden Gesamtbetrachtung bereits OVG NRW, Beschluss vom 2. Mai 2016 ‑ 13 B 284/16 -, juris, Rn. 26.
a) Die Versandhandelserlaubnis (§ 11a ApoG) ist eine zur allgemeinen Apothekenbetriebserlaubnis hinzutretende zusätzliche Erlaubnis, die die Nutzung des Vertriebsweges „Versandhandel“ für die Medikamentenabgabe ermöglicht.
Vgl. Krämer, in: Rixen/Krämer, a.a.O., § 11 ApoG, Rn. 12.
Der Vertriebsweg des Versandhandels ist gesetzlich nicht definiert. Grundsätzlich ist der Versandhandel eine Art des Einzelhandels, bei dem die Produkte per Katalog, Prospekt, Internet, Fernsehen oder Vertreter angeboten werden. Die Bestellung der gewünschten Produkte kann mündlich (z. B. per Telefon oder Vertreter), schriftlich (z. B. per Brief oder Fax) oder online getätigt werden. Die bestellte Ware wird vom Verkäufer verschickt und dem Kunden durch Transport- oder Logistikunternehmen geliefert.
Vgl. auch BT-Drs. 15/1525, S. 161.
Da die Abgabe der Ware nicht in einem Ladenlokal erfolgt, bedarf es einer räumlichen Nähe zwischen Verkäufer und Käufer nicht. Eine solche setzt auch der Versandhandel mit Arzneimitteln nicht voraus. Dem und dem Umstand, dass die Arzneimittel nicht unter Aufsicht des Apothekers in der Präsenzapotheke abgegeben werden, trägt § 11a ApoG Rechnung, indem er Vorgaben aufstellt, die eine sichere und zuverlässige Versendung der Arzneimittel sicherstellen. So ist etwa nach § 11a Ziff. 3 e) ApoG ein System zur Sendungsverfolgung zu unterhalten, nach § 11a Ziff. 3 f) ApoG eine Transportversicherung abzuschließen sowie nach § 11a Ziff. 3 a) ApoG sicherzustellen, dass das Arzneimittel innerhalb von zwei Tagen nach Eingang der Bestellung versandt wird.
Ohne den Begriff des Versandhandels abschließend zu definieren, hat das Bundesverwaltungsgericht den Versand über eine Pick-up-Stelle (Bestellungs- und Abholservice für Arzneimittel in einem Drogeriemarkt) in seinem Urteil vom 13. März 2008 – 3 C 27.07 – unter den Begriff „Versandhandel“ subsumiert. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Bestellvorgangs hat es, wie ausgeführt, die Zulässigkeit von Sammelbestellern als typisches Element des Versandhandels bejaht und hinsichtlich des Abgabevorgangs ausgeführt, der in § 43 Abs. 1 Satz 1 und § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG zugelassene Versandhandel mit Arzneimitteln setze nicht voraus, dass die bestellten Medikamente dem Endverbraucher an seine Adresse zugestellt würden. Der Versand könne auch durch Übersendung an eine in einem Gewerbebetrieb eingerichtete Abholstation erfolgen, in der die Arzneimittelsendungen den Kunden ausgehändigt würden (Rn. 17).
5.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.02.2018 – L 1 KR 365/1
zu den Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs des Apothekers gegenüber der Krankenkasse für abgegebene Fertigspritzensets (hier keine Retaxierung)
6.
OVG Lüneburg, Beschluss vom 04.07.2018, 13 LA 247/17
Pflicht einer Versandapotheke zur Vorratshaltung nach ApoBetrO 1987 § 15
Auch der Inhaber einer Erlaubnis nach § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG in Verbindung mit § 11a ApoG zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln (sog. Versandapotheke) unterliegt für diese der Pflicht zur Vorratshaltung nach § 15 ApBetrO.
Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Pflicht zur Vorratshaltung grundsätzlich konkret produktbezogen und nicht nur wirkstoffbezogen zu verstehen ist.
7.
OLG Dresden, Urteil vom 15.01.2019, 14 U 941/18
Irreführung durch einen Warnhinweis bei Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetika
Bei der Bewerbung von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) und Kosmetika ist die Anbringung des Warnhinweises „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ irreführend, da der fälschliche Eindruck entsteht, dass es sich bei diesen Produkten um Arzneimittel handelt.
Der angesprochene Verkehr verbindet mit diesem Warnhinweis, dass die beworbenen Produkte aufgrund besonderer Eigenschaften einen solchen Hinweis verdienen. Wird dieser Hinweis bei Nahrungsergänzungsmitteln oder Kosmetika verwendet, nimmt der Verbraucher an, dass diese Produkte eine erhöhte Wirksamkeit hätten.
Quelle: LMuR 2019, 117
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