Lesenswert, weil die Rechtsprechung, auch des BGH zusammenfassend,
OLG Stuttgart Urteil vom 21.12.2017, 2 U 136/17
Obersatz:
Zulässigkeit der Klage auf Feststellung der Pflicht zur Neupreisentschädigung des Kfz-Haftpflichtversicherers;
Integritätsinteresse des Geschädigten bei Nutzung des Unfallfahrzeugs länger als 6 Monate;
Abzug für Nutzung des Unfallfahrzeugs
Leitsätze:
Ist bei einem Verkehrsunfall ein Neufahrzeug erheblich beschädigt worden, kann der Geschädigte Klage auf Feststellung erheben, dass der Haftpflichtversicherer nach Erwerb eines äquivalenten Neufahrzeugs zur Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines Neufahrzeugs verpflichtet ist.
Nutzt der Geschädigte das Unfallfahrzeug länger als sechs Monate anstatt einen Neuwagen zu erwerben, ist sein besonderes Integritätsinteresse an einem Neuwagen im Regelfall widerlegt. In diese Regelfrist ist der Zeitraum der Schadensregulierung nicht einzubeziehen.
Für die Zeit der Schadensregulierung muss sich der Geschädigte keinen Abzug dafür anrechnen lassen, dass er das Unfallfahrzeug weiter genutzt hat.
Aus den Gründen:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für ein gleichwertiges Neufahrzeug aus § 249 Absatz 2 BGB, wenn der
Unfallwagen im Schadenszeitpunkt neuwertig war,
bei dem Ereignis erheblich beschädigt wurde
und der Geschädigte sein besonderes Integritätsinteresse durch den Erwerb eines Ersatzfahrzeugs nachgewiesen hat
(BGH, Urteil vom 09. Juni 2009 – VI ZR 110/08, juris Rn. 18, 20, 23).
II.
2.
a)
Das Fahrzeug des Klägers war zum Unfallzeitpunkt neuwertig. Jedenfalls bei einer Fahrzeugleistung von weniger als 1.000 Kilometern und einer Gebrauchsdauer von weniger als einem Monat ist von einer Neuwertigkeit des Fahrzeugs auszugehen (BGH, Urteil vom 29. März 1983 – VI ZR 157/81, juris Rn. 9; BGH, Urteil vom 09. Juni 2009 – VI ZR 110/08, juris Rn. 18). Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Wagen wurde erst zehn Tage vor dem Unfall erstmals zugelassen und hatte eine Laufleistung von 845 km.
b)
Weiter wurde das Fahrzeug beim Unfall auch erheblich beschädigt. Eine erhebliche Beschädigung ist in aller Regel anzunehmen, wenn beim Unfall tragende oder sicherheitsrelevante Teile, insbesondere das Fahrzeugchassis, beschädigt wurden und die fachgerechte Instandsetzung nicht völlig unerhebliche Richt- oder Schweißarbeiten am Fahrzeug erfordert. Denn durch derartige Arbeiten wird in erheblicher Weise in das Gefüge des Fahrzeugs eingegriffen (BGH, Urteil vom 09. Juni 2009 – VI ZR 110/08, juris Rn. 20). Das Landgericht hat dies auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens festgestellt. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass das Heckblech und der Abschlussquerträger wegen des Schadens aus dem Karosserieverbund herausgelöst und die Neuteile wieder eingeschweißt werden müssten, womit in die Tragekonstruktion der Karosserie eingegriffen werde (LGU S. 4).
…
Mit dem Erwerb eines Neufahrzeugs wird der Kläger sein besonderes Integritätsinteresse nachgewiesen haben, womit die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand übersteigenden und damit an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren sein wird (vgl. BGH, Urteil vom 09. Juni 2009 – VI ZR 110/08, juris Rn. 26).
…
Der Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Neuwagen ist zeitlich zu befristen.
Nutzt der Geschädigte das Unfallfahrzeug einen gewissen Zeitraum weiter anstatt einen Neuwagen zu erwerben, ist sein besonderes Integritätsinteresse an einem Neuwagen widerlegt. Diese Erwägungen hat die obergerichtliche Rechtsprechung angestellt (vgl. OLG München, Beschluss vom 01. Dezember 2009 – 10 U 4364/09 (17 Monate), juris Rn. 6; Kammergericht, Beschluss vom 02. August 2010 – 12 U 49/10 (sieben Monate), juris Rn. 47; OLG Celle, Urteil vom 29. Februar 2012 – 14 U 181/11 (zwölf Monate), juris Rn. 18), ohne sich jedoch auf eine Regelfrist festzulegen. Im vorliegenden Fall ist diese Frage zu klären, denn ein uneingeschränkter Feststellungsanspruch würde dazu führen, dass der Kläger seinen Anspruch noch zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt geltend machen kann, obwohl das besondere Integritätsinteresse durch den Zeitablauf längst widerlegt wäre.
Als zeitliche Grenze hält der Senat im Regelfall eine Frist von ungefähr sechs Monaten für angemessen. Soweit keine persönlichen Hinderungsgründe vorliegen, kann davon ausgegangen werden, dass sich der Geschädigte innerhalb dieses Zeitrahmens klar darüber werden kann, ob er ein Neufahrzeug wünscht, und es ihm auch möglich ist, innerhalb dieses Zeitrahmens das Fahrzeug verbindlich zu bestellen, wobei eine spätere Auslieferung unschädlich wäre.
Umgekehrt indiziert ein längerer Zeitraum, dass der Geschädigte kein besonderes Interesse daran hat, ein Neufahrzeug zu erwerben, und die Erstattung des Reparaturaufwandes sowie des merkantilen Minderwertes einen ausreichenden Ausgleich seines materiellen Schadens darstellt.
Allerdings handelt es sich nicht um eine starre Frist. Besondere, heute nicht vorhersehbare Umstände in der Person des Klägers können dazu führen, dass auch noch nach Ablauf des regelmäßig zuzubilligenden Zeitraums von sechs Monaten das besondere Integritätsinteresse des Klägers an der Anschaffung eines Neufahrzeugs nicht als widerlegt anzusehen ist, weil etwa wegen einer lang andauernden Krankheit oder eines längerfristigen Auslandsaufenthalts die Verschiebung der Anschaffung nachvollziehbar ist. Sollte hierüber zwischen den Parteien Streit entbrennen, wäre eine neuerliche Feststellungsklage zulässig.
bb)
In die Regelfrist von sechs Monaten ist jedoch der Zeitraum der Schadensregulierung nicht einzurechnen. Ab dem Zeitpunkt, in dem der Geschädigte gegenüber dem Schädiger oder seinem Haftpflichtversicherer die Erstattung der Kosten für einen Neuwagen verlangt hat, kann in der Weiternutzung des Unfallwagens kein Rückschluss auf das Fehlen seines besonderen Integritätsinteresses gezogen werden. Erst wenn der Geschädigte auch tatsächlich durch den Schädiger in die Lage versetzt wurde, seinen Entschluss umzusetzen, sind derartige Rückschlüsse wieder zulässig. Dies ist im allgemeinen der Augenblick, in dem der Geschädigte über Rechtssicherheit in der Form eines Anerkenntnisses eines solventen Schuldners (insbesondere des gegnerischen Haftpflichtversicherers) oder in Form eines rechtskräftigen Feststellungsurteils verfügt.
Für den Erwerb eines Neufahrzeugs sind beträchtliche finanzielle Aufwendungen erforderlich. Dem Geschädigten ist es nicht zumutbar, kurz nach dem Unfallereignis ein zweites Neufahrzeug zu erwerben, ohne sicher zu sein, dass sein Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist, weil etwa die Haftung dem Grunde nach abgestritten wird oder – wie im vorliegenden Fall – noch eine Beweisaufnahme über die Schäden am Auto durchzuführen ist, was eine zügige Verwertung des Unfallwagens jedoch verhindert.
Die mit den offenen Fragen der Schadensregulierung einhergehenden finanziellen Risiken muss der Geschädigte nicht eingehen, weshalb für die Einhaltung der sechsmonatigen Regelfrist auch nicht von Bedeutung ist, ob ihm ausreichende finanzielle Mittel für die Anschaffung eines weiteren Fahrzeugs zur Verfügung stehen (a.A. OLG München, Beschluss vom 01. Dezember 2009 – 10 U 4364/09, juris Rn. 6). Es ist grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren (BGH, Urteil vom 26. Mai 1988 – III ZR 42/87, juris Rn. 17). Ohne die Rechtssicherheit einer späteren Erstattung der Kosten kann aus der fehlenden Anschaffung eines Neufahrzeugs nicht auf ein Fehlen des besonderen Integritätsinteresses geschlossen werden.
Würde mit der Auffassung der Beklagten die Frist schon ab dem Unfallereignis zu laufen beginnen, so läge es je nach finanzieller Ausstattung des Geschädigten in der Hand des Versicherers, die Regulierung so lange hinauszuzögern, bis der Geschädigte sein besonderes Integritätsinteresse nicht mehr nachweisen könnte. Der Schädiger hat jedoch kein Recht darauf, abzuwarten, ob sich nicht die Wiederherstellung durch eine spätere Entwicklung billiger gestalten oder aus besonderen Gründen erübrigen werde (BGH, Urteil vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74, juris Rn. 22).
cc)
Dass der Geschädigte sein besonderes Integritätsinteresse zu einem späteren Zeitpunkt nachweisen kann, ergibt sich auch aus dem zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs, der eine Zahlungsklage auf Entschädigung zum Neuwagenpreis lediglich als “derzeit unbegründet” abgewiesen hat und darauf hingewiesen hat, dass der Geschädigte an seine Schadensabrechnung nicht gebunden ist (BGH, Urteil vom 09. Juni 2009 – VI ZR 110/08, juris Rn. 27 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 – VI ZR 249/05, juris Rn. 9).
…
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist in die Urteilsformel nicht aufzunehmen, dass sich der Geschädigte für die Zeit der Nutzung des Unfallfahrzeuges einen Abschlag anrechnen lassen muss. Die hierfür darlegungsbelastete Beklagte hat auch keinerlei Schätzungs- und Berechnungsgrundlagen im Sinne des § 287 ZPO für einen solchen Abzug vorgetragen.
a)
Für die Zeit bis zum Unfall entfällt ein solcher Abschlag schon deshalb, weil für die Nutzung von Fahrstrecken bis zu 1.000 km Vorteile des Geschädigten in aller Regel nicht messbar sind, so dass für diesen Zeitraum eine Anrechnung von Vorteilen nicht zu erfolgen hat (BGH, Urteil vom 14. Juni 1983 – VI ZR 213/81, juris Rn. 18). Soweit der Bundesgerichtshof (auch für die Weiternutzung nach dem Unfall) einen Abschlag für möglich hält, betrifft dies Fälle, in denen die Fahrzeuge bis zum Unfall schon eine Laufleistung von mehr als 1.000 km hatten. In einer solchen Konstellation kann die Abrechnung auf Neuwagenbasis ausnahmsweise zulässig sein, wenn entsprechende Abschläge nach Maßgabe der gefahrenen Kilometer gemacht werden (BGH, Urteil vom 14. Juni 1983 – VI ZR 213/81, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 03. November 1981 – VI ZR 234/80, juris Rn. 19; OLG Schleswig, Urteil vom 20. Oktober 1970 – 1 U 42/70, NJW 1971, 141 f.). Im Übrigen ist ein Abzug für die Weiternutzung des Unfallfahrzeugs bis zur Auslieferung des Ersatzfahrzeugs im Allgemeinen jedoch nicht angezeigt (OLG Nürnberg, Urteil vom 15. August 2008 – 5 U 29/08, juris Rn. 40). Er findet im vorliegenden Fall keine gesetzliche Grundlage.
b)
Eine gesetzliche Grundlage für einen Abschlag für die Weiternutzung des Unfallwagens ergibt sich insbesondere nicht aus den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung.
aa)
Die Vorteilsausgleichung beruht auf dem Gedanken, dass dem Geschädigten – jedenfalls in gewissem Umfang – diejenigen Vorteile zuzurechnen sind, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis und der Schadensentwicklung zufließen (BGH, Urteil vom 07. Mai 2004 – V ZR 77/03, juris Rn. 15). Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden.
Der Geschädigte darf nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nicht alle durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d.h. dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (BGH, Urteil vom 17. Mai 1984 – VII ZR 169/82, juris Rn. 17).
bb)
Nach diesen Maßstäben ist die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs allerdings kein Vorteil, der dem Kläger im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall zugeflossen ist. Der Kläger hatte kraft seines Eigentums bereits alle Nutzungsmöglichkeiten an dem Fahrzeug. Der Umstand, dass er das Unfallfahrzeug seit nunmehr etwa 2 1/2 Jahren nutzt, ist kein aus dem Schadensereignis fließender Vorteil. Im Gegenteil wären seine Nutzungsvorteile ohne Unfall größer gewesen, weil er dann ein unbeschädigtes Fahrzeug hätte nutzen können. Dass die Beklagte keine “Nutzungsentschädigung” verlangen kann, zeigt auch die Kontrollüberlegung, dass sie selbst für die Mobilität des Klägers einzustehen gehabt hätte, wäre dessen Fahrzeug wegen des Unfalls nicht mehr fahrbereit gewesen.
Im Übrigen mindert ein wirtschaftlicher Vorteil den Schadensersatzanspruch auch nicht von vornherein, sondern nur, sofern eine Anrechnung für den Geschädigten zumutbar ist und nicht gegen rechtliche Wertungen verstößt (Rüßmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 249 BGB Rn. 51). Nach der gesetzlichen Wertung wäre die Beklagte jedoch bereits ab der ersten Aufforderung des Klägers verpflichtet gewesen, ihre Ersatzpflicht für die Kosten eines nachweislich angeschafften Neuwagens anzuerkennen. Eine Verzögerung des Regulierungsverhaltens führt mithin nicht dazu, dass sich der Geschädigte Nutzungsvorteile entgegenhalten lassen muss.
c)
Der Kläger muss sich auch keinen Abzug “neu für alt” entgegenhalten lassen, nach dessen Grundsätzen Vermögensvorteile, die erst durch die Ersatzleistung des Schädigers entstehen, ausgeglichen werden (BGH, Urteil vom 07. Mai 2004 – V ZR 77/03, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 24. März 1959 – VI ZR 90/58, juris Rn. 8). Gegen einen solchen Abzug spricht allerdings schon, dass der Anspruch des Geschädigten auf den Ersatz eines Neufahrzeugs gerichtet ist. Anders als bei der Beschädigung einer gebrauchten Sache, erhält er durch die Schadensregulierung nichts “Neues” für etwas “Altes”, sondern einen neuen Gegenstand für einen beschädigten neuen Gegenstand.
Im Übrigen lägen die Voraussetzungen auch nicht vor. Ein Abzug wird nur vorgenommen, wenn die Schadensbeseitigung eine messbare Vermögensmehrung bewirkt hat, die zu einer erhöhten Lebensdauer oder zur Ersparung von Aufwendungen durch Hinausschieben künftiger Reparaturen führt (BGH, Urteil vom 08. Dezember 1987 – VI ZR 53/87, juris Rn. 25/28). Dies ist beim Ersatz eines fast neuen Kraftfahrzeugs durch einen Neuwagen nicht anzunehmen (Flume in: Beck’scher Onlinekommentar zum BGB, 43. Ed. (2017), § 249 BGB Rn. 258). Vollzieht sich der Neuerwerb alsbald nach dem Unfall, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Geschädigte eine messbare Vermögensmehrung erfahren hat.
Aber auch, wenn wie hier die Neuanschaffung wegen des Regulierungsverhaltens des Haftpflichtversicherers erst viel später erfolgen kann, ist ein Abzug “neu für alt” nicht geboten. Eine Anrechnung erfolgt lediglich im Rahmen des Zumutbaren. Zwar soll der Schadensersatz grundsätzlich nicht zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Geschädigten führen, es soll jedoch auch der Schädiger nicht unbillig begünstigt werden (BGH, Urteil vom 24. März 1959 – VI ZR 90/58, juris Rn. 9). Zu einer solch unbilligen Begünstigung des Schädigers könnte es aber führen, wenn er auch für die Zeit seiner Schadensregulierung eine Art “Nutzungsentschädigung” verlangen könnte, die über einem Ausgleich des durch die Nutzung verursachten Wertverlusts des Fahrzeugs liegt. Insbesondere aber hat der auf das Begehren des Geschädigten nicht Ersatz leistende Schädiger die Nachteile der Regulierungsverzögerung zu tragen, weil auch beim Abzug “neu für alt” die rechtlichen Wertungen zu beachten sind (Staudinger/Vieweg, Eckpfeiler des Zivilrechts (2014), Kap. J. Rn. 92).
d)
Schließlich ergibt sich ein Abzug – jedenfalls für den vorliegenden Fall – auch nicht nach den Grundsätzen des Mitverschuldens, selbst wenn der Senat es grundsätzlich für erwägenswert hält, diese für einen interessengerechten Ausgleich heranzuziehen. Im Einzelfall kann eine (schuldhafte) Wertminderung des bereits verunfallten Kraftfahrzeugs die Interessen des Schädigers beeinträchtigen und zu einer anteiligen Mithaftung des Schädigers führen. So liegt es hier wegen der Regulierungsverzögerung jedoch nicht.
aa)
Verlangt der Geschädigte den erforderlichen Betrag für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs nach § 249 Absatz 2 BGB, so muss er zur Vermeidung einer Bereicherung im Gegenzug das Unfallfahrzeug an den Schädiger nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung oder analog § 255 BGB herausgeben (Lafontaine, ZfSch 2015, 125; Staudinger/Schiemann, Kommentar zum BGB (2017), § 251 BGB Rn. 53). Ihm steht es allerdings auch frei, den Unfallwagen in Eigenregie zu veräußern, wobei dann der Verkaufserlös nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung anzurechnen ist (BGH, Urteil vom 05. März 1985 – VI ZR 204/83, juris Rn. 15). Ist ihm dies zu mühevoll oder sonst unliebsam, kann der Geschädigte alternativ das Fahrzeug dem Schädiger zur Verfügung stellen und ihm die Verwertung überlassen (BGH, Urteil vom 29. Juni 1965 – VI ZR 36/64, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 26. März 1985 – VI ZR 267/83, juris Rn. 17).
bb)
Hat der Restwert des Unfallwagens seit dem Unfall eine weitere Minderung erfahren, kommt eine Zurechnung dieser Schadenserweiterung nach den Grundsätzen des § 254 Absatz 2 Satz 1 BGB grundsätzlich in Betracht. Eine Minderung kann sich etwa daraus ergeben, dass das Fahrzeug wegen seines im Zeitpunkt der Verwertung höheren Alters oder seiner Laufleistung einen geringeren Verkaufswert hat oder auch daraus, dass der Geschädigte seinem Fahrzeug schuldhaft einen weiteren Schaden zufügt, ohne dass er Ersatzansprüche gegen Dritte analog § 255 BGB abtreten könnte. In diesen Fällen sind die Möglichkeiten des Schädigers, den Schaden durch eine günstige Verwertung des Restwertes zu minimieren, beeinträchtigt.
cc)
Im Rahmen des Mitverschuldens hat der Geschädigte die Obliegenheit, den Schaden gering zu halten, wobei von ihm keine überobligationsmäßigen Anstrengungen erwartet werden. Dies ist unter den Gesichtspunkten der Zumutbarkeit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im Rahmen einer Gesamtschau zu bewerten (BGH, Urteil vom 17. März 2011 – IX ZR 162/08, juris Rn. 18). Wegen der erforderlichen Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge führt es nicht zwangsläufig dazu, dass der Geschädigte den vermeidbaren Schadensteil auch in vollem Umfang tragen muss (BGH, Urteil vom 24. Juli 2001 – XI ZR 164/00, juris Rn. 20).
dd)
Nach diesen Maßstäben scheidet die Anrechnung einer etwaigen Wertminderung sowohl hinsichtlich des nun höheren Alters des Unfallwagens (1) als auch der nun höheren Laufleistung (2) aus.
(1)
Zwar ist auf dem Gebrauchtwagenmarkt für die Preisbildung von Bedeutung, ob die Erstzulassung des Fahrzeugs entweder vor einem Monat war oder vor zwei bis drei Jahren. Die hierdurch eingetretene Wertminderung ergab sich jedoch durch die verzögerte Regulierung, die im alleinigen Verantwortungsbereich der Beklagten lag. Ein diesbezügliches Mitverschulden des Klägers scheidet aus.
Soweit er sich nach dem Unfall einen Monat Zeit gelassen hat, seine Ansprüche bei der Beklagten anzumelden, ist nicht ersichtlich, dass der Restwert des Unfallfahrzeugs alleine durch diesen Umstand niedriger gewesen wäre. Es ist nicht vorgetragen worden, dass ein zwei Monate altes Fahrzeug unter sonst gleichen Umständen einen niedrigeren Wert hat als ein vier Wochen altes Fahrzeug.
(2)
Entsprechendes gilt für die höhere Laufleistung im Zeitpunkt der Verwertung des Unfallwagens. Zwar hat der Wagen schon etwas mehr als ein Jahr nach dem Unfall, am 31.08.2016, bereits eine Laufleistung von 18.500 km gehabt. Dabei handelt es sich auch um einen bedeutenden Faktor für den erzielbaren Verwertungserlös. Im Rahmen der Gesamtwürdigung ist jedoch insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits nach einem Monat eine Neupreisentschädigung verlangt hat und es ihm – insbesondere in Anbetracht der verweigerten Regulierungszusage – nicht zugemutet werden konnte, das Fahrzeug in der Garage stehen zu lassen. Vielmehr durfte er es nach Belieben nutzen, so dass im Rahmen der Gesamtwürdigung die Wertminderung wegen der verzögerten Regulierung der Beklagten zuzurechnen ist.
(3)
Soweit nach diesen Maßstäben ein Ausgleich für den Zeitraum vom Unfallereignis bis zur erstmaligen Anmeldung der Ansprüche in Betracht kommt (12.05.2015 bis 15.06.2015), hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass alleine wegen eines bestimmten höheren Kilometerstandes ein niedrigerer Verkaufspreis erzielbar war. Insbesondere hat sie nicht ausgeführt, welche Strecke das Fahrzeug in diesem Zeitraum zurückgelegt hat. Zu einem solchen Vortrag wäre die Beklagte jedoch ohne Weiteres in der Lage gewesen, da sie das Fahrzeug schon kurz nach dem relevanten Zeitraum durch einen eigenen Sachverständigen besichtigen ließ (vgl. Bl. 32 d.A.). Sie hat lediglich vorgetragen, das Fahrzeug habe über ein Jahr später, am 31.08.2016, eine Laufleistung von 18.500 km gehabt.
Der Senat geht auf der Grundlage dieses Vortrags gemäß § 287 ZPO – wie für den Regelfall – davon aus, dass eine relevante Wertminderung bei relativ geringen Laufleistungen zwischen Unfallereignis und Andienung des Fahrzeugs nicht eingetreten ist. Es ist nicht vorgetragen worden, dass es einen Preisunterschied gibt zwischen zwei gleich ausgestatten Fahrzeugen mit Laufleistungen von einerseits 845 Kilometer und andererseits etwas mehr als 2.000 km (ausgehend von einer etwa gleichmäßigen Verteilung des bis zum 31.08.2016 abgelesenen Kilometerstandes).
4.
Auch ein sonstiges Mitverschulden fällt dem Kläger nicht zur Last. Insbesondere lässt es sich nicht damit begründen, dass er den nur bis September 2015 geltenden Sonderrabatt in Höhe von 20 % ungenutzt ließ. Der Kläger hat es nicht pflichtwidrig unterlassen, den Schaden zu mindern (§ 254 Absatz 2 Satz 1 BGB). Wie ausgeführt, bestand für ihn ohne die Rechtssicherheit über die Schadensabwicklung keine Verpflichtung zum Erwerb eines weiteren Fahrzeugs. Es gibt auch keine allgemeine Pflicht des Geschädigten, zur Schadensbeseitigung einen Kredit aufzunehmen (BGH, Urteil vom 26. Mai 1988 – III ZR 42/87, juris Rn. 17). Zudem hat der Kläger der Beklagten rechtzeitig angezeigt, dass er ein Neufahrzeug erwerben wolle und er den Sonderrabatt nur noch bis September 2015 in Anspruch nehmen könne. Nachdem die Beklagte keine zügige Kostenübernahmeerklärung abgegeben hat, fiel die Schadenserhöhung in ihren eigenen Verantwortungsbereich.