Vertragsarzt mit voller Zulassung kann nicht anderweitig angestellt werden!
Zu dieser Aussage gelangte das Sozialgericht Düsseldorf in einer aktuellen (zum heutigen Tage – 27.10.2016 – noch nicht rechtskräftigen) Entscheidung vom 28.09.2016 (Aktenzeichen: S 2 KA 1445/16 ER).
Hintergrund der Entscheidung:
Ein MVZ mit (jeweils angestellten) zwei Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie, zwei Fachärzten für Orthopädie mit Schwerpunkt Chirotherapie sowie einem Facharzt für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Phlebologie. Das MVZ beantragte die Genehmigung zur Anstellung eines (weiteren) Facharztes für Allgemeinmedizin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 13 Stunden (Anrechnungsfaktor 0,5). Dieser Arzt ist seit dem 01.01.1999 mit vollem Versorgungsauftrag (Anrechnungsfaktor 1,0) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und Mitglied einer Berufsausübungsgemeinschaft mit Vertragsarztsitz in der selben Stadt.
Der zuständige Zulassungsausschuss für Ärzte lehnt den Antrag ab mit der Begründung, er habe Bedenken, neben einer vollen Zulassung eine weitere Anstellung im vertragsärztlichen Bereich zu genehmigen, da der anzustellende Arzt dann mit mehr als einem Anrechnungsfaktor von 1,0 vertragsärztlich tätig wäre. Dazu komme, dass dieser auch noch in der eigenen Praxis bzw. im eigenen MVZ im gleichen Planungsbereich mit einem Anrechnungsfaktor von 1,5 vertragsärztlich tätig wäre und in der Bedarfsplanung entsprechend anzurechnen wäre. Dies halte der Zulassungsausschuss nicht für zulässig.
Dem hielt das MVZ als Antragstellerin im Widerspruchsverfahren entgegen,
dass ein ausdrückliches Verbot, neben der vollschichtigen Tätigkeit in eigener Praxis im Umfang von 13 Wochenstunden in einer MVZ-GmbH angestellt ärztlich tätig zu sein, nicht existiere. Insbesondere stehe § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV der Anstellung nicht entgegen. Der anzustellende Arzt habe seine Praxis sehr effektiv organisiert und könne Sprechstunden im Umfang von mindestens 20 Wochenstunden in seiner eigenen Praxis und mindestens 10 Wochenstunden als angestellter Arzt im MVZ abhalten. Bedarfsplanungsrechtlich wären vorliegend ein 0,5-facher Anrechnungsfaktor für die Tätigkeit im Rahmen der Anstellung und ein 1,0-facher Anrechnungsfaktor zu berücksichtigen.
Die Entscheidung:
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde vom Sozialgericht zurückzuweisen.
Hierzu führte das Sozialgericht Düsseldorf aus:
Das Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) und die Ärzte-ZV gehen davon aus, dass einem Arzt insgesamt (nur) ein Vertragsarztsitz und (nur) ein voller Versorgungsauftrag zugeordnet ist (BSG, Urteil vom 23.03.2016 – B 6 KA 7/15 R (Rn. 17)). Das kann auch dergestalt erfolgen, dass zwei hälftige Zulassungen an zwei örtlich getrennten hälftigen Vertragsarztsitzen erteilt werden (BSG, Urteil vom 11.02.2015 – B 6 KA 11/14 R (Rn. 18 ff.)). Es gibt auch Zulassungen für zwei Fachgebiete (BSG, Urteile vom 20.01.1999 – B 6 KA 78/97 R -; vom 26.01.2000 – B 6 KA 53/98 R -) oder bei Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen die gleichzeitige Zulassung zur vertragsärztlichen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung (BSG, Urteil vom 17.11.1999 – B 6 KA 15/99 R -). Der Gesetzgeber hat ferner die Möglichkeit geschaffen, die ärztliche Tätigkeit auch an anderen Orten auszuüben, z.B. in Zweigpraxen und/oder ausgelagerten Praxisräumen (§ 98 Abs. 2 Nr. 13 SGB V i.V.m. § 24 Abs. 3 und Abs. 5 Ärzte-ZV). Weiterhin können der volle Versorgungsauftrag auf einen hälftigen reduziert (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V i.V.m. § 19a Abs. 2 Ärzte-ZV) und der Vertragsarztsitz verlegt werden (§ 24 Abs. 7 Ärzte-ZV).
Diese Flexibilisierungsoptionen ändern aber nichts an dem Grundsatz,
dass einem Arzt insgesamt (nur) ein Vertragsarztsitz und (nur) ein voller Versorgungsauftrag zugeordnet ist (BSG, Beschluss vom 09.02.2011 – B 6 KA 44/10 B (Rn. 11)). Neben einer vollen Zulassung ist deshalb kein Raum für eine weitere Zulassung (BSG, Urteile vom 16.12.2015 – B 6 KA 5/15 R (Rn. 36); vom 11.05.2011 – B 6 KA 2/10 R (Rn. 23)).
Einer “Doppelzulassung” mit mehr als einem Versorgungsauftrag (Anrechnungsfaktor 1,0) stehen insofern außer der bereits umfassenden Inpflichtnahme durch einen vollen Versorgungsauftrag insbesondere Gesichtspunkte der Bedarfsplanung und der vertragsärztlichen Honorarverteilung entgegen (BSG, Beschluss vom 03.12.2010 – B 6 KA 39/10 B (Rn. 4)). Dies gilt in gleicher Weise für die Anstellung eines Arztes, der bereits als zugelassener Vertragsarzt einen vollen Versorgungsauftrag (Anrechnungsfaktor 1,0) ausfüllt.
Mit der Genehmigung der Besetzung eines Angestelltensitzes durch einen bereits mit vollem Versorgungsauftrag zugelassenen Vertragsarzt würde zugleich eine Rechtsposition begründet, die rechtlich nicht vorgesehen ist. Denn § 95 Abs. 9 b SGB V sieht ohne Ausnahmemöglichkeit vor, dass im Falle der vom anstellenden Arzt beantragten Umwandlung einer genehmigten Anstellung in eine Zulassung und bei Nichtbeantragung einer Nachbesetzung der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung wird. Die in diesem Fall entstehende Option auf den Erhalt einer rechtlich nicht vorgesehenen “Doppelzulassung” schließt die Genehmigungsfähigkeit der Anstellung eines mit vollem Versorgungsauftrag zugelassenen Vertragsarztes bei einem anderen Vertragsarzt aus (SG Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.2015 – S 33 KA 299/15 ER -).
So liegen die Verhältnisse hier.
Der Arzt … ist mit einem vollen Versorgungsauftrag (Anrechnungsfaktor 1,0) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Zwar hat die Antragstellerin bei Vorliegen der Voraussetzungen grundsätzlich einen Anspruch auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes, aber eben nicht jedes Arztes. Sofern an der Anstellung des Arztes N festgehalten werden sollte, müsste dieser seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte reduzieren (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2015 – B 6 KA 19/15 R (Rn. 35)).
(Quelle: Sozialgericht Düsseldorf, 28.09.2016, S 2 KA 1445/16 ER – Stand: 27.10.2016 – noch nicht rechtskräftig)