SG Koblenz, Urteil vom 15.03.2017 (S 11 SO 62/15)
Blinde haben Anspruch auf Versorgung mit einem Laser-Langstock
… bei entsprechender ärztlicher Verordnung!
Kurz zum Hintergrund:
Die gesetzlich krankenversicherte Klägerin war als Erwachsene infolge einer Krankheit erblindet. Die Krankenkasse hatte ihr die Kosten für einen einfachen Blindenstock bewilligt. Als die Versicherte die Versorgung mit einem Laser-Langstock beantragte, wurde dies abgelehnt. Der einfache Blindenstock sei als Hilfsmittel ausreichend. Dem hielt die Versicherte entgegen, dass der beantragte Laser-Langstock nicht mit einem herkömmlichen Blindenstock vergleichbar sei. Mit dem einfachen Blindenstock könne sie nur Hindernisse wahrnehmen, die sich in unmittelbarer Bodennähe befinden. Hindernisse, die oberhalb der Hüfte in den Weg ragten (wie z. B. auf Bauch- oder Kopfhöhe herabgelassene Hebebühnen von LKW, herabhängende Äste, tiefhängende Werbeschilder oder in den Fußweg hereinragende Sonnenschirme), könne sie nicht rechtzeitig wahrnehmen, was schon häufig zu Verletzungen geführt habe. Beim Laser-Langstock sei im Griff des Blindenstocks eine elektronische Zusatzeinrichtung samt Energieversorgung untergebracht, die mittels Laserstrahl Hindernisse erfasst, die sich oberhalb des Stocks im Kopf- und Brustbereich des Blinden befinden. Werde ein Hindernis erfasst, beginne der Griff zu vibrieren. Gefährdende Bereiche könnten so umgangen werden.
Respekt vor dem Sozialgericht Koblenz, das der Klägerin die Kosten für einen Laser-Langstock und zudem zehn Trainingsstunden zum Erlernen des Umgangs mit diesem bewilligte.
Dieses Urteil könnte Schule machen und vielen Blinden sowie Sehgeschädigten eine wertvolle Hilfe sein.
Quelle: aus der Pressemitteilung des SG Koblenz vom 23.05.2017 zum Urteil vom 15.03.2017 (S 11 SO 62/15)
(und) aus den Urteilsgründen:
…
Bei dem von der Klägerin beantragten Laser-Langstock handelt es sich um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V. Der Laser-Langstock der Firma Vistac ist unter der Gruppe 07 (Blindenhilfsmittel) als Produkt 07.50.02.3002 (elektronische Blindenleitgeräte – Leitgerät für den Körperschutz [Hindernismelder] zur Stockmontage) gelistet. …
Dieses Hilfsmittel ist vorliegend zur Versorgung der Klägerin erforderlich. Das Ge-richt ist zu der Überzeugung gelangt, dass der beantragte Laser-Langstock für die Klägerin einen wesentlichen Gebrauchsvorteil bietet, der – mehr als der bisher zur Verfügung stehende Blinden-Langstock – geeignet ist, die bestehende Behinde-rung (hier: vollständige Erblindung) auszugleichen.
Dass Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit einem neuen und technisch verbesserten Hilfsmittel haben, auch wenn dessen Kosten höher sind als die der bisherigen und noch funktionstüchtigen Versorgung, hat das Bundessozialgericht bereits in seiner Entscheidung vom 06.06.2002 deutlich hervorgehoben (vgl. BSG, Urteil vom 06.06.2002 – B 3 KR 68/01 R [C-Leg] = SozR 3-2500 § 33 Nr. 44). Das Bundessozialgericht hat in diesem Urteil darauf hingewiesen, dass das Ziel der Versorgung behinderter Menschen mit Hilfsmitteln im Sinne einer Förderung ihrer Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemein-schaft nach § 1 Satz 1 SGB IX nicht ausschließt, dass ein noch voll funktionstüchtiges Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkasse durch ein technisch verbessertes Gerät mit Gebrauchsvorteilen gegenüber dem bisherigen Hilfsmittel ersetzt wird, wenn sich die Verbesserung in Lebensbereichen auswirkt, die zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählen. Sofern sich das verbesserte Gerät weder auf spezielle Lebensbereiche begrenzt noch die Gebrauchsvorteile sich lediglich in der Bequemlichkeit oder im Komfort der Nutzung erschöpfen, ist deshalb zum mit-telbaren Behinderungsausgleich eine Hilfsmittelversorgung zu Lasten der Krankenkasse auf Antrag des Versicherten auch mit dem verbesserten Gerät vorzunehmen (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 13; fortgeführt durch BSG, Urteil vom 16.09.2004 – B 3 KR 20/04 R = SozR 4-2500 § 33 Nr. 8 = BSGE 93, 183).
Vorliegend ist die Mobilität der Klägerin ein Grundbedürfnis, das der beantragte Laser-Langstock nach dem gegenwärtigen Stand der Technik so weit wie möglich deckt. Der Gebrauchsvorteil liegt darin, dass sich – anders als beim herkömmli-chen Blinden-Langstock – auch Hindernisse wahrnehmen lassen, die sich nicht ausschließlich auf dem Boden befinden. Zwar kann auch der Laser-Langstock nicht das Sehvermögen im Sinne eines vollständigen funktionellen Ausgleichs er-setzen. Er bietet jedoch einen (zusätzlichen) Ersatz für die durch die Blindheit ausgefallene oder zumindest erschwerte Möglichkeit der Umweltkontrolle. Der Funktionsausgleich betrifft unmittelbar die Behinderung. Dem Gericht leuchtet es ein, dass Hindernisse, die sich in Kopf-, Schulter- und Hüfthöhe befinden, und damit von einem herkömmlichen Blinden-Langstock nicht erfasst werden können, schwere Verletzungen verursachen können. Solche Hindernisse sind im allgemeinen Umfeld ständig vorhanden. Die von der Klägerin genannten Beispiele (wie z.B. Verkehrs- oder Hinweisschilder, LKW-Hebebühnen, herabhängende Äste, Schirme oder große Mülltonnen) sind unmittelbar nachvollziehbar. Der Laser-Langstock hat insofern wesentliche Gebrauchsvorteile gegenüber dem herkömmlichen Blinden-Langstock. Die Klägerin benötigt das Hilfsmittel täglich, um einer vollschichtigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen, soziale Kontakte zu pflegen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen: Die Klägerin ist ohne Begleitperson in der Lage, ihren Beschäftigungsort mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufzusuchen, sich allein zurechtzufinden und sich alleine zu versorgen. Die Klägerin ist so in der Lage, trotz ihrer Behinderung möglichst umfassend am allgemeinen Leben teilzuhaben. Für diesen Behinderungsausgleich bietet der beantragte Laser-Langstock einen zusätzlichen wesentlichen Gebrauchsvorteil, der sich nicht lediglich in einem höheren Komfort erschöpft. Dass der beantragte Laser-Langstock – wie von der Beigeladenen dem Beklagten mitgeteilt – technisch unausgereift ist, dafür liegen dem Gericht keine Anhaltspunkte vor.
Ebenfalls dahinstehen kann, ob mit einem Blindenführhund ein funktionell gleichwertiges, aber preiswerteres Hilfsmittel zur Verfügung stünde (zur Kostenübernahme eines Blindenführhundes an Stelle eines Blinden-Langstocks vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.10.2013 – L 5 KR 99/13 = NZS 2014, 180; Juris). Unter Berücksichtigung der glaubhaften Angaben der Klägerin zu ihrem Arbeitsplatz (Allergieklinik) und zum Umfang ihrer Mobilität (zehn Stunden pro Tag) ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass dies mit dem Halten eines Blindenführhundes ohnehin nicht vereinbar wäre. Unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 12 Abs. 1 SGB V) hält die Kammer den beantragten Laser-Langstock für erforderlich. Zur Versorgung mit dem beantragten Hilfsmittel gehört dabei auch das beantragte Orientierungs- und Mobilitätstraining zur Einweisung in den Umgang mit dem Laser-Langstock. Dabei erscheinen dem Gericht die beantragten zehn Stunden als an-gemessen.
OLG Hamburg Beschluss vom 30.05.2017 – 2 Rev 35/17
Die Pflicht des Unfallbeteiligten, durch seine Anwesenheit am Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB Feststellungen zu ermöglichen, entfällt, wenn der Geschädigte darauf verzichtet, die Polizei herbeizurufen, obwohl der Unfallbeteiligte nur bereit ist, seine Personalien von der Polizei feststellen zu lassen und weitere nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu treffende Feststellungen nicht mehr erforderlich sind; bei dieser Sachlage hat der Geschädigte die Nichterfüllung seines Feststellungsinteresses selbst zu vertreten.
SG Dortmund, Urteil vom 02.11.2016, S 17 U 955/14
Hintergrund:
Wenn z.B. ein Motorradfahrer einem ihm die Vorfahrt nehmenden Radfahrer ausweicht oder ein Autofahrer einem auf seine Fahrbahn geratenen Mofafahrer … und der Ausweichende dabei verletzt wird, ist dies tatsächlich als !!! ARBEITSUNFALL !!! anzuerkennen.
Ja, es handelt sich dann tatsächlich um einen ARBEITSUNFALL, auch wenn dies auf den ersten Blick verwundert.
Grund hierfür ist, dass auch solche Personen über die Vorschriften zum Arbeitsunfall (7. Sozialgesetzbuch) versichert sind, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Die Gerichte erkennen dies auch dann an, wenn seinem potentiellen Unfallgegner ausgewichen wird, dieser damit aus erheblicher Gefahr für dessen Gesundheit gerettet, möglicherweise ihm sogar das Leben gerettet wird.
Und der Schutz über das 7. Sozialgesetzbuch und die Anerkennung als dann ARBEITSUNFALL ist goldwert (nämlich zum Teil erheblich mehr und effektiver als die Krankenkasse und andere Versicherungen … bis hin zur Rentenzahlung).
Es ist übrigens vollkommen unerheblich, ob der “Rettende” privat mit seinem Fahrzeug unterwegs war.
Aus diesen Gründen kommt das Sozialgericht Dortmund dann zu folgender Entscheidung (zitiert aus den Urteilsgründen):
Bei dem Ereignis vom 19.10.2012 handelt es sich um einen Arbeitsunfall im Sinne des Gesetzes.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Der Kläger ist bei dem Ereignis unfallversichert gewesen. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13a) SGB VII sind solche Personen versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Dieser Tatbestand ist hier erfüllt. Der Kläger hat, indem er seinem potentiellen Unfallgegner ausgewichen ist, diesen aus erheblicher Gefahr für dessen Gesundheit gerettet, möglicherweise ihm sogar das Leben gerettet. Der Umstand, dass der Kläger die Rettungshandlung nicht mit zeitlichem Vorlauf geplant vorgenommen, sondern in Sekundenbruchteilen gehandelt hat, begründet keine andere Bewertung. Auch eine spontan, ohne intensive Überlegung verrichtete Rettungstat unterfällt dem zitierten Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 13a) SGB VII. Dies hat das Bundessozialgericht gerade für ein Ausweichmanöver im Straßenverkehr entschieden (BSG, Urteil v. 30.11.1982, Az.: 2 RU 70/81, BSGE 54, S. 190 ff., zur Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 1 Nr. 9a) der Reichsversicherungsordnung – RVO). Die Entscheidung erscheint der Kammer sachgerecht, nachdem Gefahrensituationen geradezu immanent ist, dass sie überraschend auftreten und für die Rettungsentscheidung keine lange Überlegung dulden. Entsprechend hat das BSG zutreffend weiter entschieden, dass selbst bei reflexartigen Ausweichmanövern im Straßenverkehr Versicherungsschutz gegeben ist, wenn die konkrete Gefahrenlage bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv geeignet ist, eine Rettungshandlung auszulösen (BSG, Urteil v. 08.12.1988, Az.: 2 RU 31/88, BSGE 64, S. 218 ff.).
Ohne Erfolg weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger mit seiner Ausweichhandlung nicht allein den betreffenden Fahrradfahrer, sondern auch seine eigene Person habe retten wollen.
Weiterer Hinweis:
Soweit das SG Dortmund das Bundessozialgericht und seine Entscheidung vom 30.11.1982 / 2 RU 70/81 zitiert, hier noch der Leitsatz:
Ist das Ausweichmanöver des Fahrers eines Kraftwagens wesentlich von der Absicht mitbestimmt, eine andere Person aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für Körper oder Gesundheit zu retten, besteht Versicherungsschutz nach § 539 I Nr. 9 lit. a RVO.
(Die RVO existiert zwar noch heute, allerdings sind ab dem Jahre 1975 schrittweise die bekannten Sozialversicherungszweige Krankenversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung usw. in die heute existenten Sozialgesetzbücher überführt worden. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des BSG war die gesetzliche Unfallversicherung noch in der RVO geregelt und erst 1997 ausgegliedert. Daher bezieht sich die Entscheidung noch auf die Vorgängerregelung in der RVO.)
OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.06.2017, 1 Ss 115/17
Eine allein mit der Abmeldung des Fahrzeugs einhergehende Entstempelung des Kennzeichens führt für sich genommen nicht dazu, dass der Haftpflichtversicherungsvertrag nicht oder nicht mehr besteht (sog. Ruheversicherung), mit der Folge, dass der Versicherungsschutz im Außenverhältnis nicht entfällt und einem Geschädigten ein Schadenersatzanspruch gegen den Haftpflichtversicherer zustehen kann, so dass der Gebrauch des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen nicht den Tatbestand des § 6 PflVG erfüllt.
Aus den Gründen:
Es mangelt jedoch an Darlegungen dazu, ob trotz der Abmeldung nach Ziffer H. 1. der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2015) weiterhin ein Haftpflichtversicherungsschutz im Rahmen einer sogenannten Ruheversicherung bestanden hat und so eine Strafbarkeit nach § 6 PflVG ausgeschlossen ist. Denn ein solcher Ruhevertrag ist ein Vertrag im Sinne des § 6 PflVG, da er die Haftpflichtrisiken des § 1 PflVG umfassend abdeckt (vgl. BayObLG, Urteil vom 21. Mai 1993 – 1 St RR 19/93 -, juris; Erbs/Kohlhass – Lampe, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand 2013. EL März 2017, § 6 PflVG Rn. 6).
Die Sache war daher gemäß § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision des Angeklagten – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückzuverweisen.
Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Gericht für den Fall, dass kein strafbares Verhalten des Angeklagten festgestellt werden sollte, verpflichtet sein dürfte, die in der Anklage bezeichnete Tat (hierzu gehört auch das ordnungswidrige Fahren ohne oder mit entstempelten Kennzeichen nach §§ 10 Absatz 12, 48 Abs. 1 b) Fahrzeug-ZulassungsVO, § 24 StVG) auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zu beurteilen (vgl. § 82 Abs. 1 OWiG).
Sollte der neue Tatrichter hingegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 PflVG bejahen, muss wie bei allen Taten, die – wie hier gemäß § 6 Abs. 1, 2 PflVG – vorsätzlich und fahrlässig begangen werden können, im Tenor die Schuldform angegeben werden, sofern sie sich – wie vorliegend – nicht bereits aus der gesetzlichen Überschrift ergibt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 260 Rn. 24).
OLG Nürnberg, Endurteil v. 19.04.2017 – 4 U 2292/16
Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Schwarzfahrt des Hotelportiers mit dem geleasten Pkw des Hotelkunden
Der Hotelbetreiber haftet für seinen Nachtportier als Erfüllungsgehilfen, wenn dieser den von einem Hotelgast bei ihm abgegebenen Fahrzeugschlüssel für eine unerlaubte Schwarzfahrt mit dem Kundenfahrzeug benutzt und dieses hierbei beschädigt.
Das gilt auch dann, wenn der Nachtportier nicht bei dem Hotel, sondern bei einem Dienstleistungsunternehmen angestellt war, das von dem Hotel mit dem Rezeptionsdienst beauftragt worden ist.
Der Hotelkunde kann im Wege der Drittschadensliquidation den vollen Fahrzeugschaden geltend machen, auch wenn es sich um ein Mietfahrzeug handelte und er gegenüber der Vermieterin des Fahrzeugs vertraglich nur zur Tragung einer Selbstbeteiligung verpflichtet war.
Das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche eigene schutzwürdige Interesse des Leasingnehmers an der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen kann sich daraus ergeben, dass er seinerseits Haftungsansprüchen des Leasinggebers aus dem Leasingvertrag ausgesetzt ist, so dass die Entscheidung Einfluss auf seine eigene Rechtslage hat.
Es lässt die Haftung aus § 278 BGB nicht entfallen, dass der Gehilfe weisungswidrig handelt oder sogar gegen ein ausdrückliches Verbot des Geschäftsherren verstößt; dies gilt selbst bei vorsätzlichem strafbaren Verhalten der Hilfsperson.
BGH, Beschluss vom 05.12.2017, Az: VIII ZR 204/16
Verkündungsmängel schaden nicht
Verkündungsmängel (hier: Verkündung nicht in öffentlicher Sitzung im angegebenen Sitzungssaal, sondern im Dienstzimmer des Richters) stehen dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde.
Sind die Mindestanforderungen an eine Verlautbarung gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht. Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung vom Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von dem Erlass und dem Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden.
Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 09.11.2017, III R 20/16
Bewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs – Schätzung des Bruttolistenpreises bei einem Importfahrzeug (hier: Ford Mustang Shelby GT 500 Coupe)
Leitsätze
Ist die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs nach der 1 %-Regelung zu bewerten, ist der inländische Bruttolistenpreis zu schätzen, wenn das Fahrzeug ein Importfahrzeug ist und weder ein inländischer Bruttolistenpreis vorhanden ist noch eine Vergleichbarkeit mit einem bau- und typengleichen inländischen Fahrzeug besteht.
Der inländische Bruttolistenpreis ist jedenfalls dann nicht zu hoch geschätzt, wenn die Schätzung sich an den typischen Bruttoabgabepreisen orientiert, die Importfahrzeughändler, welche das betreffende Fahrzeug selbst importieren, von ihren Endkunden verlangen.
BGH, Urteil vom 05.04.2018, III ZR 211/17
Prüfung des Kfz-Kennzeichens durch die Behörde
Die Pflicht der Kraftfahrzeug-Zulassungsstelle, im Zusammenhang mit der Abstempelung des Kennzeichenschildes mit zugeteiltem Kennzeichen durch eine Stempelplakette (§ 10 Abs. 3 Satz 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung) zu überprüfen, ob das Schild das zugeteilte Kennzeichen trägt und nicht dem Schilderhersteller beim Aufdruck des Kennzeichens ein Fehler unterlaufen ist, obliegt der Behörde jedenfalls auch im Interesse der Inhaber bereits zugeteilter Kennzeichen, davor bewahrt zu werden, irrtümlich für Vorgänge im Zusammenhang mit dem Betrieb eines fremden Fahrzeugs zur Verantwortung gezogen zu werden.
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 29.11.2017, 16 U 86/17
Gutgläubiger Erwerb eines Wohnmobils bei gefälschter Zulassungsbescheinigung II und fehlendem Zweitschlüssel
Der gutgläubige Eigentumserwerb ist nicht schon deshalb nach § 935 BGB ausgeschlossen, weil das Fahrzeug dem früheren Eigentümer abhandengekommen ist. Abhandenkommen bezeichnet den unfreiwilligen Besitzverlust. Indem der Beklagte das Fahrzeug vermietet hat, hat er den unmittelbaren Besitz freiwillig aufgegeben. Ob der Entschluss zur Aufgabe des Besitzes durch Willensmängel beeinträchtigt ist, spielt für das Abhandenkommen keine Rolle (Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl., § 935 Rn. 5). Das gleiche gilt auch für die finanzierende Bank als möglicher Sicherungseigentümerin. Aus dem vom Beklagten vorgelegten Kreditvertrag ergibt sich, dass das Darlehen zur Anschaffung eines Wohnmobils zur gewerbsmäßigen Vermietung gewährt wurde und damit ein Besitzverlust im Rahmen einer Vermietung auch nicht dem Willen der Bank widersprach.
Der Beklagte trägt nicht vor, dass der Kläger Kenntnis davon hatte, dass die Verkäuferin nicht zum Verkauf des Fahrzeugs berechtigt war, hierfür liegen auch keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte vor. Der Kläger hat bei Erwerb des Fahrzeugs die Berechtigung des Verkäufers auch nicht grob fahrlässig verkannt.
Unter grober Fahrlässigkeit wird ein Handeln verstanden, bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH Urt. v. 1.3.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946). Nach ständiger Rechtsprechung begründet beim Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs der Besitz des Veräußerers allein noch nicht den für den Gutglaubenserwerb erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindestanforderungen des gutgläubigen Erwerbs, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu überprüfen. Auch wenn der Veräußerer im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil II ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht besteht dagegen nicht (BGH Urt. v. 1.3.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946; OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.5.2017 – 2 U 72/16, juris und BeckRS 2017,118118).
Nach diesen Maßstäben ist der gute Glauben des Klägers, für dessen Fehlen der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast trägt, letztlich nicht zu verneinen.
Dem Kläger wurden beim Verkauf die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II vorgelegt. Die Namen stimmen mit dem Namen der Verkäuferin im Kaufvertrag überein. Zwar waren die Zulassungsbescheinigungen, wie sich später herausstellte, gefälscht. Dies steht dem gutgläubigen Erwerb indes nicht entgegen, da der Kläger die Fälschungen nicht erkennen musste. Zwar weisen die Zulassungsbescheinigungen unterschiedliche Aussteller aus, auch gehört die Gemeinde L2, in der nach den Zulassungsbescheinigungen die Halterin ihren Wohnsitz hatte, nicht zum Kreis E. Dies musste dem ortsfremden Kläger aber nicht auffallen, zumal auch die zuständige Straßenverkehrsbehörde die Fälschungen nicht als solche erkannt hat, sondern das Fahrzeug auf den Kläger zugelassen hat.
Grobe Fahrlässigkeit ergibt sich auch nicht bereits daraus, dass die angebliche Verkäuferin den Zweitschlüssel nicht übergeben konnte. Entgegen der Ansicht des Landgerichts steht dies allein dem gutgläubigen Erwerb nicht entgegen. Dies lässt sich auch nicht der vom Landgericht zitierten Literaturstelle entnehmen. Vielmehr kommt es auf die Würdigung der Gesamtumstände an. Das OLG München (23 U 434/11, BeckRS 2011, 14507) hat den guten Glauben trotz gefälschter Zulassungsbescheinigung und fehlendem zweiten Schlüsselsatz bejaht. Der fehlende Schlüsselsatz stand dem gutgläubigen Erwerb nicht entgegen, da der Verkäufer nicht angegeben hatte, über diesen nicht zu verfügen, sondern dem Erwerber die Herausgabe des zweiten Schlüsselsatzes versprochen hatte. Ebenso hat das OLG Saarbrücken entschieden. Danach musste der bei Übergabe fehlende Zweitschlüssel beim Käufer deshalb keinen Verdacht wecken, seil sein Vorhandensein nicht generell verneint wurde sondern – wie auch im vorliegenden Fall – die kurzfristige Nachreichung zugesagt und sogar in den schriftlichen Kaufvertrag aufgenommen wurde (ebenso OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.5.2017 – 2 U 72/16, juris und BeckRS 2017,118118 in einem ähnlichen Sachverhalt). Da der Kläger keinen Anlass hatte, daran zu zweifeln, dass die Verkäuferin über den Zweitschlüssel verfügte, begründet der Umstand, dass sie ihn bei Übergabe des Fahrzeugs nicht übergeben konnte, noch keinen hinreichenden Verdacht auf die fehlende Berechtigung der Verkäuferin am Fahrzeug.
Auch die weiteren Umstände des Erwerbs stellen den guten Glauben des Klägers nicht in Frage. Dass es sich um einen Barverkauf handelte, ist bei einem Gebrauchtwagenverkauf unter Privatleuten kein Umstand, der Verdacht erregen muss. Das gleiche gilt für den Treffpunkt im Gewerbegebiet. Die Erklärung des für die Verkäuferin auftretenden angeblichen Herrn L, dass es sich um den Parkplatz seines Firmengeländes handelt, war nicht evident auffällig oder unrichtig. Schließlich steht auch der vereinbarte Kaufpreis von 34.000 € dem gutgläubigen Erwerb nicht entgegen. Er war nicht so niedrig, dass der Kläger Verdacht schöpfen musste. Der Kläger hat hierzu Internetangebote vorgelegt, mit denen ähnliche Fahrzeuge für 36.000 € bis 38.000 € angeboten werden.
OLG Frankfurt a. M., Hinweisbeschluss v. 14. 8. 2017 – 3 U 11/16
Bei einem elektronischen Camcorder mit aufgeschraubtem Objektiv im Wert von insgesamt 13.500,- EUR handelt es sich nicht um einen “wertvollen Gegenstand” i. S. d. AVB, so dass es einer ständigen Beobachtung oder Bewachung nicht bedarf.
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 8.3.2017, 5 S 1044/15
Teilweise Unwirksamkeit des Parkverbots auf schmalen Straßen (§ 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO)
Leitsätze:
Der Begriff “schmale” Fahrbahn in § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von Normen.
Aus den Gründen:
Gemessen an diesen Maßstäben ist § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO zu unbestimmt, soweit diese Vorschrift ein Parkverbot auf schmalen Straßen gegenüber Grundstücksein- und -ausfahrten normiert, insbesondere weil die Vorschrift keiner sie näher konkretisierenden Auslegung zugänglich ist.
BGH, Urteil vom 21.06.2018, VII ZR 173/16
Werkvertrag: Keine Abrechnung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten beim kleinen Schadenersatz / VOB/B (2002)
Der Auftraggeber, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Auftragnehmer gemäß § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B (2002 ) seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen (im Anschluss an BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17,BauR 2018, 815= NZBau 2018, 201).
VG Aachen, Urteil vom 16.5.2018 – 6 K 5781/17
Wenn die Parkzeit unter Verstoß gegen § 13 StVO um mehrere Stunden – hier um drei Stunden – überschritten worden ist, ist das unmittelbar ausgeführte Abschleppen des derartig verkehrswidrig abgestellten Kraftfahrzeugs keine Maßnahme, die den Betroffenen unverhältnismäßig schwer belastet.
OLG Schleswig, Beschluss vom 30.5.2018 – 7 U 23/18
1. Bei feststehendem unfallursächlichen Primärschaden (hier Prellung des linken Knies) und streitigen Folgeschäden an der gleichen Extremität (hier Dauerschaden am Knie) handelt es sich um eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die dem Maßstab des § 287 ZPO unterworfen ist. Insoweit genügt je nach Lage des Einzelfalles eine höhere oder deutlich höhere Wahrscheinlichkeit.
2. Die unterbliebenen Zeugenvernehmung des vom Geschädigten benannten behandelnden Arztes zur Frage der Unfallursächlichkeit stellt keinen Verfahrensfehler dar. Für den behandelnden steht nämlich die Notwendigkeit einer Therapie im Mittelpunkt, während die Benennung der Diagnose als solche nur von untergeordneter Bedeutung ist. Zur Ermittlung der Kausalität bedarf es deshalb der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Eine Zeugenvernehmung des behandelnden Arztes ist dann entbehrlich, wenn das Ergebnis seiner Befundung schriftlich niedergelegt, vom Sachverständigen gewürdigt und in die Beweiswürdigung einbezogen worden ist.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2018 – 9 U 38/17
Hauskauf: Arglist und Aufklärungspflicht
Derjenige, der gutgläubig falsche Angaben macht, handelt grundsätzlich nicht arglistig, mag der gute Glaube auch auf Fahrlässigkeit oder selbst auf Leichtfertigkeit beruhen. Nicht gutgläubig handelt allerdings, wer ohne tatsächliche Grundlagen “ins Blaue hinein” unrichtige Angaben macht.
Eine allgemeine, im Präsens formulierte Frage nach Rissen begründet schon rein objektiv keine Pflicht zur Offenbarung von bei einem Erdbeben vor 25 Jahren entstandenen und sach- und fachgerecht verschlossenen Rissen.
Nur auf die ausdrückliche Frage des Käufers hin, ob früher einmal Schäden existierten, müsste der Verkäufer die Risse erwähnen.
Ein beseitigter Schaden, der in einem Zeitraum von 25 Jahren nicht, jedenfalls nicht merklich erneut aufgetreten ist, muss einem Verkäufer nicht als ein möglicherweise immer noch oder wieder vorhandener Mangel präsent sein.
Bei einer Fachfirma darf der Auftraggeber grundsätzlich auf eine sach- und fachgerechte Ausführung der Arbeiten vertrauen.
Zieht der Käufer von sich aus einen Sachverständigen hinzu, der in allen Räumen Messungen an den Kelleraußenwänden und der Bodenplatte vornimmt, besteht für den Verkäufer keine Veranlassung, auf hierbei feststellbare Mängel hinzuweisen.
Nach Gefahrübergang besteht grundsätzlich ein Anwendungsvorrang der §§ 434 ff. BGB, der einen Rückgriff auf die Grundsätze über das Verschulden bei Vertragsschluss nur im Falle vorsätzlich falscher Angaben des Verkäufers über Eigenschaften der Kaufsache gestattet.
Quelle: https://www.ibr-online.de/IBRUrteile/index.php?zg=0&S_Sondersuche=Hervorzuhebende (IBRRS 2018, 3167)
Kein Abzug “neu für alt” bei Neuanschaffung eines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Kindersitzes
sagen
OLG Koblenz, Urteil vom 12.12.2011, 12 U 1059/10:
Da der Nutzungsdauer eines Kindersitzes durch das Kindesalter und -gewicht eine absolute Grenze gesetzt ist, erwächst dem Kläger durch den Neuerwerb des Sitzes kein merklicher wirtschaftlicher Vorteil.
AG Ansbach, Urteil vom 19.10.2016, 5 C 721/16:
Für den Kläger ist es zunächst unzumutbar, den vor dem schädigenden Ereignis bestehenden Zustand durch die Anschaffung gebrauchter Kindersitze wiederherzustellen.
Dadurch, dass im vorliegenden Fall an die Stelle des beschädigten gebrauchten Kindersitzes ein neuwertiger Kindersitz tritt, kommt eine Vermögensmehrung für den Kläger nicht zustande. Maßgeblich ist insoweit im Rahmen des Abzuges „neu für alt“, ob die neu anzuschaffende Sache aufgrund ihres individuellen Nutzungspotenzials gerade für den Geschädigten einen höheren Wert hat (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 01.08.2014, Az. 11 U 23/14). Durch den Ersatz des im Jahr 2012 angeschafften, bei dem streitgegenständlichen Unfall beschädigten, Kindersitz durch einen neuen Kindersitz erhöht sich im vorliegenden Fall das individuelle Nutzungspotential des Gegenstandes für den Geschädigten nicht.
AG Osterholz-Scharmbeck, Urteil vom 13.02.2020, 3 C 700/19
LG Stuttgart, Beschluss vom 14.3.2018, 5 S 6/18 (zu AG Waiblingen, Urteil vom 14.12.2017, 7 C 1039/17)
Hinweis: Aber anders, jedoch ohne nähere Erläuterung, LG Dresden, Urt. v. 24.9.2013 – 8 S 106/13 (schätzt den Abzug Neu für Alt auf 30 %)
BSG, Urteil vom 23.01.2018, B 2 U 8/16
Schlagworte:
Gesetzliche Unfallversicherung – Wegeunfall – Schüler – schulisch veranlasste Gruppenarbeit – keine Aufsicht durch Lehrer – außerschulischer Lernort – versicherter Schulbesuch – Haftungsbeschränkung – schulischer und elterlicher Verantwortungsbereich – Abgrenzung – Informationspflicht der Schule – kein Versicherungsschutz bei bloßer gemeinsamer Hausaufgabenerledigung – spezifische Wegegefahr – tätlicher Angriff – gruppentypische Gefahr einer schulisch gebildeten Gruppe
Leitsatz:
Während schulisch veranlasster Gruppenarbeiten findet für jedes Gruppenmitglied “Schule” und damit ein Schulbesuch ausnahmsweise an dem Ort und zu dem Zeitpunkt statt, an dem sich die Gruppe zur Durchführung des Schulprojekts trifft.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.1.2019, VI R 24/16
Die Aufwendungen eines Fußballtrainers für ein Sky-Bundesliga-Abo können Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sein, wenn tatsächlich eine berufliche Verwendung vorliegt.
Aus den Gründen:
Ergibt die Prüfung, dass die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, so sind sie grundsätzlich als Werbungskosten abzuziehen. Beruhen die Aufwendungen hingegen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf beruflichen Umständen, so sind sie nicht abziehbar (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672). Ist der erwerbsbezogene Anteil nicht von untergeordneter Bedeutung, kann eine Aufteilung und ein Abzug des beruflich veranlassten Teils der Kosten in Betracht kommen, sofern der den Beruf fördernde Teil der Aufwendungen sich nach objektiven Maßstäben zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen lässt (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672; Senatsbeschluss vom 24. September 2013 VI R 35/11, BFH/NV 2014, 500; Senatsurteil vom 8. Juli 2015 VI R 46/14, BFHE 250, 392, BStBl II 2015, 1013).
OLG Nürnberg, Urteil vom 02.05.2019, 13 U 1296/17
Verlust der Haftungsfreistellung bei Fahren mit Tempo 200 km/h
Wer ein Kraftfahrzeug mit einem weit über der Richtgeschwindigkeit liegenden Tempo fährt – hier 200 km/h -, muss in besonderem Maße seine volle Konzentration auf das Verkehrsgeschehen richten.
Schon die kurzzeitige Ablenkung durch Bedienung des sog. Infotainmentsystems (Navigationssystem) kann bei derartigen Geschwindigkeiten den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründen, mit der Folge eines zumindest teilweisen Verlustes der Haftungsfreistellung in den einer Kaskoversicherung nachgebildeten Bedingungen eines Mietvertrags.
Das Vorhandensein eines sog. Spurhalteassistenten reduziert den in einem entsprechenden Verhalten liegenden Schuldvorwurf zumindest bei derartig hohen Geschwindigkeiten nicht.
LSG Thüringen, Urteil vom 21.03.2019, L 1 U 1312/18
Das Kaufen eines „Coffee-to-go“ steht als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Hintergrund:
Die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes hatte auf dem Weg zu einer Patientin die Fahrt unterbrochen, um sich in einem Bäcker – ein paar Meter vom eigentlichen Weg gelegen – einen Kaffee zu holen. Vor dem Bäcker stürzte sie und zog sich einen Bruch des Schienbeins zu.
Entscheidung des LSG Thüringen:
Es handelte sich nicht um eine, den Versicherungsschutz unberührt lassende, lediglich geringfügige Unterbrechung des Weges. Eine Unterbrechung ist nur dann als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit anzusehen ist.
Die Gesamtheit des vorliegend von der Klägerin geplanten Handelns kann nicht mehr als geringfügig angesehen werden, weil der Kaffeekauf eben gerade nicht „nur nebenbei“ erledigt werden konnte. Vielmehr setzte der subjektive Wunsch des Kaffeekaufens eine neue objektive Handlungssequenz in Gang, die sich – auch äußerlich – deutlich von der versicherten Handlungssequenz „zur versicherten Tätigkeit der ambulanten Pflege fahren“ abgrenzen lässt. Die Klägerin hatte ihre ursprüngliche Wegstrecke verlassen, als sie statt nach links nach rechts abbog und anschließend dort in einer Parkeinmündung einparkte.
Ergebnis:
Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (als Wegeunfall) entfällt und damit keine Leistungen der Berufsgenossenschaft.
OLG Düsseldorf vom 09.04.2019, 1 U 170/16 (r+s 2019, 403)
Beschädigung durch von LKW herabfallenden oder aufgewirbelten Gegenstand
Wird ein nachfolgendes Fahrzeug durch einen Gegenstand beschädigt, der entweder durch das vorausfahrende Fahrzeug aufgewirbelt oder von diesem herabgefallen ist, so hat der Halter des vorausfahrenden Fahrzeug gemäß § 7 Abs. 1 StVG für den Schaden einzustehen, da sich die Rechtsgutsverletzung in beiden Fällen bei dem Betrieb des vorausfahrenden Fahrzeugs ereignet hat.
Es ist in diesem Falle Sache des Halters darzulegen und zu beweisen, dass der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis i. S. d. § 17 Abs. 3 StVG verursacht worden ist.
OLG Dresden vom 10.09.2015, OLG 26 Ss 505/15 (Z)
Wenn die Gerichte den DUDEN zu Hilfe nehmen !
Leitsatz:
Das Verbot des Reitens außerhalb hierfür ausgewiesener Waldwege erfasst nach dem Sächsischen Waldgesetz nicht das Führen von Pferden am Zügel.
Schlagzeile (aus den Gründen):
Unter dem Wort „Reiten“ wird nach allgemeiner Auffassung verstanden, eine Fortbewegungsart eines Menschen auf dem Rücken eines Tieres, meist eines Pferdes, bzw. das Sichfortbewegen auf einem Reittier (besonders einem Pferd) (vgl. Duden online, Stichwort Reiten; Wikipedia, Stichwort Reiten).
Aus den weiteren Gründen:
Das Amtsgericht hat vorliegend den Ordnungswidrigkeitentatbestand als erfüllt angesehen, weil zum Reiten im Sinne des § 12 SächsWaldG auch das Führen von Pferden gehöre, da es für das Entstehen von Schäden an Waldwegen unerheblich sei, ob ein Pferd geritten oder am Zügel geführt werde.
Diese am Schutzzweck des Sächsischen Waldgesetzes orientierte Auslegung des Begriffes „Reiten“ übersteigt jedoch die nach den vorgenannten Maßstäben zu bestimmende, vom möglichen Wortsinn der Bußgeldbewährung markierte, äußerste Grenze zulässiger richterlicher Auslegung.
Demgegenüber ist das Führen eines Pferdes am Zügel gerade keine Nutzung des Tieres zur Fortbewegung, sondern insoweit ein Aliud zum Reiten. Der – auch vom Amtsgericht herangezogenen – Ansicht des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg, das Führen eines Pferdes stelle sich als Unterfall des Reitens dar (vgl. OVG Brandenburg, NUR 1997, 562), kann jedenfalls insoweit nicht gefolgt werden, als damit die Auslegung des Begriffes „Reiten“ über seinen Wortsinn hinaus auch das Führen eines Pferdes erfassen sollte.
Die hier vertretene Auffassung, dass zwischen dem Reiten und dem Führen eines Pferdes schon vom Wortsinn her ein Unterschied besteht, wird auch dadurch gestützt, dass der Bundesgesetzgeber etwa in § 28 Abs. 2 StVO zwischen dem Reiten und dem Führen eines Pferdes ausdrücklich unterscheidet, indem es dort heißt: „Wer reitet, Pferde oder Vieh führt oder Vieh treibt, unterliegt sinngemäß den für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen“.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.9.2019, 7 U 21/18
Beaufsichtigungspflicht trifft Intimsphäre –
Pflegeheim muss Demenzkranke nur bei Anhaltspunkten für Sturzrisiko lückenlos beaufsichtigen,
entscheidet das OLG Karlsruhe in einer aktuellen Entscheidung.
Das OLG führt aus, dass
eine lückenlose Überwachung nur dann zu fordern sei, wenn sich Anhaltspunkte für eine Sturzgefahr nicht nur bei der allgemeinen Fortbewegung im Heim, sondern gerade auch während des Toilettengangs ergeben.
Zudem sei aber auch der Schutz des Patienten vor einem Sturz abzuwägen mit dem Schutz seiner Intimsphäre, die auch bei einem Demenzkranken zu beachten ist und die bei einer lückenlosen Überwachung während des Toilettengangs beeinträchtigt wäre.
Quelle: Beck-Verlag / BeckRS 2019, 21515
BGH, Urteil vom 09.10.2019, VIII ZR 240/18
Bei Tieren ist im Rahmen der Abgrenzung “neu”/”neu hergestellt” und “gebraucht” im Sinne der § 474 Abs. 2 Satz 2 , § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB nicht nur eine nutzungs-, sondern auch eine rein lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmängelrisikos zu berücksichtigen.
Für die Frage, ab welchem Zeitpunkt ein noch nicht genutztes Pferd nicht mehr als “neu” zu bewerten ist, lassen sich keine allgemein gültigen zeitlichen Grenzen aufstellen. Jedenfalls ist ein zum Zeitpunkt des Verkaufs weder gerittener noch angerittener und auch nicht einer sonstigen Verwendung (etwa Zucht) zugeführter knapp zweieinhalb Jahre alter Hengst, der schon seit längerer Zeit von der Mutterstute getrennt ist, infolgedessen über einen nicht unerheblichen Zeitraum eine eigenständige Entwicklung vollzogen hat und seit längerem geschlechtsreif ist, als “gebraucht” im Sinne von § 474 Abs. 2 Satz 2 BGB beziehungsweise als nicht “neu hergestellt” im Sinne von § 309 Nr. 8 Buchst. b Doppelbuchst. ff BGB anzusehen.